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Für eine „dauerhaft sinngebende und erfüllende berufliche Tätigkeit“

Prof. Dr. Markus Schmitt erläutert im Hochschulpodcast gegenüber Cristina Petre den im Wintersemester startenden Master of Science „Nachhaltigkeit und Transformation“

Im Wintersemester 2024/25 startet an der Hochschule Landshut der neue Masterstudiengang „Nachhaltigkeit und Transformation“. Was kann man sich allgemein unter diesem Masterstudiengang vorstellen?

Mit dem neuen Masterstudiengang qualifizieren sich die Studierenden für anspruchsvolle berufliche Aufgaben im großen Themenfeld Nachhaltigkeit und Transformation.

Sie ergänzen damit ihren ersten akademischen Abschluss und können dann professionell an Nachhaltigkeitstransformationen in der Praxis mitwirken.

Welche Voraussetzungen müssen Interessierte mitbringen, um zugelassen zu werden?

Die einzige Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Umfang von 210 ECTS-Punkten oder ein gleichwertiger akademischer Abschluss.  

Wir wollen ganz bewusst Absolventinnen und Absolventen aller Fachrichtungen zulassen. Denn Nachhaltigkeitstransformationen sind extrem vielschichtig. Da werden alle Fachrichtungen gebraucht, und die müssen auch zusammenarbeiten können. Deshalb ist das interdisziplinäre Arbeiten ein zentrales Ziel unseres Studiengangs.

Nachhaltigkeit ist ein häufig verwendeter Begriff. Mit welchem Nachhaltigkeitsverständnis arbeitet der Studiengang?

Wir verstehen Nachhaltigkeit als einen Idealzustand menschlicher Zivilisation, in dem wir drei Standards gleichzeitig erfüllen: ökologische Tragfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und eine ausreichende wirtschaftliche Leistung.

Wir wissen heute, dass wir davon noch sehr weit entfernt sind – denken wir nur an die Klimakrise, den Verlust der Artenvielfalt oder an die fast 10% der Weltbevölkerung, die unterhalb der absoluten Armutsgrenze leben.

Und da kommt dann die Transformation ins Spiel, oder?

Ja, genau: Im neuen Masterstudiengang geht es um Veränderungsprozesse, die uns dem Idealzustand der Nachhaltigkeit näherbringen.

Diese Veränderungsprozesse laufen in allen gesellschaftlichen Teilbereichen ab, lokal genauso wie global, in Unternehmen genauso wie in der öffentlichen Verwaltung, in der Politik, in Nonprofit-Organisationen und natürlich auch in der Bildung und Forschung.

An diesen Veränderungsprozessen sollen unsere Studierenden nach dem Studium mitwirken –professionell und kompetent, von kleinen Anpassungen in bestehenden Systemen bis hin zum transformativen strukturellen Wandel.

Kannst Du das an einem konkreten Beispiel erläutern?

Gerne. Stellen wir uns vor, Ben hat Betriebswirtschaft studiert. Durch unseren Masterstudiengang versteht Ben die Nachhaltigkeitsanforderungen im Detail, und er weiß, wie man sie angeht. Dieses Wissen kann er aufgrund seines ersten Studiums direkt auf Unternehmen übertragen. Er ist dann ein idealer Kandidat für Stellen im Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen. Dort kann er z.B. ein Managementsystem aufbauen, das den neuen gesetzlichen Anforderungen genügt und das zur langfristigen Transformation des Unternehmens in Richtung Nachhaltigkeit beiträgt.

Oder nehmen wir als zweites Beispiel Sara. Sie hat Soziale Arbeit studiert. Nach dem Masterstudiengang kann sie z.B. bei einem Wohlfahrtsverband als Referentin Nachhaltigkeit arbeiten und Projekte umsetzen, vom Klima- und Umweltschutz bis zur Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren für mehr Verteilungsgerechtigkeit.

Und ähnlich gilt das für alle anderen Studierenden, je nach mitgebrachtem ersten Studienabschluss. Die Ingenieurin wirkt dann z.B. an der Herstellung kreislauffähiger Produkte mit, der Lehrer bringt sich in die Bildung für Nachhaltige Entwicklung ein, die Journalistin in die Nachhaltigkeitskommunikation, der Psychologe erforscht die individuellen Barrieren von Transformationsprozessen, und so weiter.

Dieser Masterstudiengang erweitert die beruflichen Einsatzmöglichkeiten enorm – egal, welchen ersten akademischen Abschluss die Studierenden mitbringen.

Das interdisziplinäre Arbeiten wurde als zentrales Element des Studiengangs schon genannt. Wie wird es konkret gefördert?

Interdisziplinäres Arbeiten ist eine Schlüsselkompetenz für nachhaltige Entwicklung.

Deshalb haben wir gleich im ersten Semester ein umfangreiches Modul, das genau so heißt: Interdisziplinäres Arbeiten. In diesem Modul führen wir die Studierenden hin zum Arbeiten über die Grenzen der eigenen Disziplin hinweg.

Dazu verwenden wir eine Methodik, die zunächst das Bewusstsein für die eigene Disziplin schärft, also z.B. für Informatik oder Politikwissenschaft. Denn jede Disziplin hat ihre ganz eigenen Leitideen, die den Arbeitsstil prägen. Diese Leitideen sind innerhalb des eigenen Fachs hilfreich, sie können aber hinderlich sein bei der fachübergreifenden Zusammenarbeit.

Im nächsten Schritt gehen die Studierenden unterschiedlicher Disziplinen dann aufeinander zu und fangen an, die anderen Fachrichtungen zu verstehen.

Und schließlich entwickeln sie neue, gemeinsame Leitideen, mit denen sie Nachhaltigkeits- und Transformationsaufgaben lösen.

Dieser integrative Prozess ist extrem wichtig, um später auch in der Praxis zügig und wirkungsvoll Lösungen hervorzubringen.

Was sind die anderen Inhalte des Studiengangs, wie ist er insgesamt aufgebaut?

Der Studiengang dauert drei Semester und umfasst 90 ECTS-Punkte.

In den ersten zwei Semestern sind zwölf Module zu absolvieren.

Diese sind in vier Modulgruppen eingeteilt.

Die erste Modulgruppe behandelt die Grundlagen und Merkmale von Nachhaltigkeit. Da geht es um das Erdsystem und ökologische Tragfähigkeit aus naturwissenschaftlicher Sicht, es geht um die Grundlagen von Gesellschaft und soziale Gerechtigkeit, und es geht um ökonomische Modelle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Mit dieser Modulgruppe bringen wir alle Studierenden auf einen gleichen, gemeinsamen Wissensstand. Wir gestalten das so, dass alle Studierenden intellektuell anknüpfen können, unabhängig von ihrem vorangehenden Studium. Und das gilt auch für alle anderen Module.

Die zweite Modulgruppe umfasst die Treiber nachhaltiger Entwicklung. Das sind zum einen die verschiedenen Akteure – von den Unternehmen über Politik und Wissenschaft bis zur Zivilgesellschaft und Einzelpersonen. Und es sind die Prozesse zwischen diesen Akteuren sowie Technologien für Nachhaltigkeit.

Auch bei dieser zweiten Modulgruppe nehmen wir also wieder mehrere, verschiedene Perspektiven ein.

Die dritte Modulgruppe widmet sich den großen Transformationsfeldern wie Energie, Mobilität, Industrie, Städte und Land, Wohlstand und Konsum, Ressourcen oder auch Ernährung.

Dort werden die Kenntnisse der ersten zwei Modulgruppen verknüpft und angewendet. Die ganzheitliche Sicht auf Transformation ist hier entscheidend.

Und als viertes gibt es die Modulgruppe zum inter- und transdisziplinären Arbeiten. Das Modul Interdisziplinäres Arbeiten habe ich gerade schon beschrieben. Darauf aufbauend folgt im zweiten Semester ein transdisziplinäres Projekt, in dem wir mit außerhochschulischen Partnern an einem Praxisthema arbeiten – und hoffentlich beide Seiten voneinander lernen. Die praktische Umsetzung ist uns wichtig. Denn Nachhaltigkeit und Transformation ist eine Angewandte Wissenschaft.

Wie verläuft dann das dritte und letzte Semester?

Das dritte Semester ist vollständig der Masterarbeit gewidmet.

Als Hochschule für angewandte Wissenschaften begrüßen wir es, wenn die Studierenden Themen bearbeiten, die von Partnern außerhalb der Hochschule vorgeschlagen werden, also z.B. von Unternehmen, Behörden, Vereinen oder auch politischen Parteien.

Denn wir wollen ja gerade die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Akteursgruppen fördern.

Und weil der Studiengang zum akademischen Grad „Master of Science“ führt, achten wir auch sehr auf die wissenschaftliche Belastbarkeit der Ergebnisse.

Können die Studierenden in der Masterarbeit oder auch generell in diesem Studiengang ihr mitgebrachtes Fach weiter vertiefen?

Ja, das unterstützen wir ganz gezielt.

In der Masterarbeit, die immerhin ein Drittel des Studiums ausmacht, können die Studierenden ein Thema wählen, das Nachhaltigkeit und Transformation fachlich mit ihrem ersten Studiengang verknüpft.

Nehmen wir etwa einen Masteranden, der zuvor Arztassistenz studiert hat; er untersucht dann in der Masterarbeit beispielsweise, wie in einer Klinik ohne Qualitätsverluste das Abfallaufkommen reduziert werden kann.

Auch in den anderen Modulen gibt es Freiräume für individuelle Schwerpunktsetzung. Beispiele sind Studienarbeiten oder Vorträge, in denen Studierende selbst eine Fragestellung auswählen, ausgehend von einem Rahmenthema, z.B. soziale Gerechtigkeit.

Überhaupt setzen wir darauf, dass die Studierenden ein hohes Maß an Eigenverantwortung mitbringen.

Welche Eigenschaften sollten die Studierenden sonst noch haben für diesen Masterstudiengang?

Am wichtigsten ist das Interesse an Nachhaltigkeit und Transformation in ihrer vollen Komplexität.

Denn wir wollen Leute ausbilden, die angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, angemessen denken und handeln.

Wir müssen die Systeme, Strukturen und Entwicklungspfade zuerst verstehen, bevor wir in sie eingreifen. Und die Eingriffe müssen dann kulturell und politisch genauso durchdacht sein wie ökonomisch und technologisch.

Was wir uns außerdem wünschen, sind Studierende, die sich selbst einbringen in den Bildungsprozess – mit ihrer bereits erworbenen Expertise aus dem ersten Studium. Dann können wir alle, Studierende wie Lehrende, voneinander lernen.

Stichwort „Lernen“: Wäre dieser neue Masterstudiengang nicht auch gut geeignet für Berufstätige, die aus dem Job heraus nachhaltige Entwicklung unterstützen wollen?

Grundsätzlich: ja.

Der Studiengang eignet sich auch für Menschen, deren erstes Studium schon Jahre zurückliegt und die ihrem Berufsleben eine andere oder eine zusätzliche Richtung geben möchten, nämlich Nachhaltigkeit und Transformation.

Berufserfahrene Studierende sind bei uns sehr willkommen, weil sie noch mehr Möglichkeiten schaffen, voneinander zu lernen.

Und wer sich aus der Berufstätigkeit nicht ganz ausklinken kann, dem bietet das Hochschulrecht die Chance, das Studium in vier oder fünf statt in drei Semestern zu absolvieren. Dann kann bis zur Masterarbeit der Studienumfang z.B. auf 50% reduziert werden, und die Masterarbeit lässt sich vielleicht sehr gut mit der Berufstätigkeit vereinbaren.

Wer dieses Modell anstrebt, sollte sich aber vorher in jedem Fall mit der Studiengangsleitung abstimmen.

Was ist mit Interessierten, die ein Bachelorstudium mit nur sechs Semestern und 180 ECTS-Punkten absolviert haben, wie an den Unis üblich? Werden sie zum neuen Masterstudiengang zugelassen?

Ja, wenn sie einen anderen Nachweis der fehlenden ECTS-Punkte erbringen

z.B. durch qualifizierte Berufserfahrung von mindestens 6 Monaten

oder durch weitere Prüfungsleistungen an Hochschulen.

Auch in diesen Fällen sollten die Interessierten frühzeitig Kontakt mit der Studiengangsleitung aufnehmen. Wir unterstützen dann gerne im Bewerbungsprozess.

Und wie ist das bei Hochschulabschlüssen ohne ECTS-Punktesystem, also z.B. Studiengänge mit Staatsexamen wie im Lehramt, bei Jura oder Medizin? Und auch bei den früheren Diplomstudiengängen gab es das ECTS ja noch nicht.

Auch Interessierte mit solchen Studiengängen sind natürlich willkommen und werden zugelassen, wenn sie ein Vollzeitstudium von mindestens 7 Semestern vorweisen.

Der Masterstudiengang ist der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen zugeordnet. Wie ist es dazu gekommen?

Die Nachhaltigkeitswissenschaft ist noch relativ jung und lässt sich keinem der traditionellen Wissenschaftsbereiche eindeutig zuordnen.

Sie hat vielmehr Querschnittscharakter, weil sie sich aller akademischen Disziplinen bedient und umgekehrt auch auf alle etablierten Wissenschaften einwirkt.

Damit kann die Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen schon sehr gut umgehen. Denn dort gibt es seit 25 Jahren das Wirtschaftsingenieurwesen, also einen hochgradig interdisziplinären Studiengang – in dem übrigens auch der Schwerpunkt „Energie und Nachhaltigkeit“ wählbar ist.

Und seit 2023 bietet diese Fakultät ein Bildungszertifikat „Nachhaltige Entwicklung“ an, das sogar die Anforderungen des Zentrums Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern erfüllt.

Die Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen deckt also mit Wirtschaft und Technik zwei wesentliche Zugänge zu nachhaltiger Entwicklung schon sehr gut ab, und sie hat eine gute akademische Grundlage im Bereich nachhaltiger Entwicklung.

Uns ist aber voll bewusst, dass das für den Masterstudiengang Nachhaltigkeit und Transformation nicht ausreicht. Deshalb arbeiten wir eng mit der Fakultät Soziale Arbeit zusammen, um auch die gesellschaftlichen und politischen Aspekte bestmöglich abzudecken.

Daneben tragen weitere Fakultäten zur Lehre bei, etwa die Fakultät Betriebswirtschaft mit Expertise für Psychologie.

Und nicht zuletzt ergänzt die Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen ihre Kompetenz mit einer neu eingerichteten Professur, und zwar für das Lehrgebiet „Erdsystem, nachhaltige Entwicklung und Transformation“.

Insgesamt ergibt sich so ein multidisziplinäres Team aus mehreren Fakultäten – ein Team, welches das Wissensgebiet der Nachhaltigkeit und Transformation komplett abdeckt.

Und: Mehrere der Lehrenden sind bereits mit Preisen für herausragend gute Lehre ausgezeichnet worden. Wir setzen auch bei diesem Studiengang auf Qualität.

Wie sind denn die langfristigen beruflichen Perspektiven für Absolventinnen und Absolventen dieses Studiengangs?

Der Arbeitsmarkt für Stellen mit Nachhaltigkeitsbezug ist seit etwa vier Jahren sehr stark wachsend.

Wir gehen davon aus, dass das noch für viele Jahre so bleiben wird. Denn die erforderlichen Nachhaltigkeitstransformationen haben ja gerade erst begonnen. Da wird es in allen gesellschaftlichen Bereichen und auf allen Ebenen weiterhin großen Bedarf geben nach konzeptioneller Arbeit und nach Umsetzungsarbeit, begleitet von einem ständigen Lernprozess aller Beteiligten.

Und der Vorteil unseres Masterstudiengangs ist: Alle Studierenden haben schon einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss, auf den sie jederzeit zurückgreifen können. D.h. sie sind sehr flexibel, um auf neue berufliche Anforderungen zu reagieren.

Dadurch eröffnen sich attraktive berufliche Chancen.

Als Master of Science für Nachhaltigkeit und Transformation können Sie zunehmend Verantwortung übernehmen – in Unternehmen etwa bis zum Mitglied der Geschäftsleitung in der Rolle des CSO, des „Chief Sustainability Officer“.

Sie können sich aber auch spezialisieren, z.B. auf Menschenrechte, suffiziente Geschäftsmodelle oder internationale Entwicklungszusammenarbeit.

Oder Sie wechseln nach einigen Jahren in einen Aufgabenbereich, der ihrem ersten akademischen Abschluss stärker entspricht – bereichert um den Blick für Nachhaltigkeit und Transformation.

Welcher Weg auch immer gewählt wird: In jedem Fall steigert der Masterstudiengang die Chance auf eine dauerhaft sinngebende und erfüllende berufliche Tätigkeit.


Das vollständige Interview ist ebenfalls im Podcast der Hochschule Landshut zu hören.


Foto: Hochschule Landshut / Florian Karow