Hochschulvizepräsident Prof. Dr. Marcus Jautze begrüßte am 20. März 2023 die knapp 100 Teilnehmer*innen (in Präsenz und online) bei der ersten Veranstaltung der Landshuter Energiegespräche, die sich in diesem Semester dem Leitthema "Energiewende – nachhaltige Ansätze und ökonomische Perspektiven" widmen. Mögele sei selbst Mitgestalter beim nachhaltigen Konzept in Wildpoldsried, das bereits zweimal die Goldauszeichnung des European Energy Award (eea) erhalten habe, wie Prof. Dr. Josef Hofmann, Initiator der Veranstaltungsreihe und Sprecher Forschungsschwerpunkt Energie der Hochschule Landshut, erklärte. Wildpoldsried und sein damaliger Bürgermeister haben bereits vor über 20 Jahren mit einigen innovativen Landwirten begonnen, sich mit erneuerbaren Energien zu befassen. Dabei biete die 2.600 Einwohner-Gemeinde mit viel landwirtschaftlicher- und Wald-Fläche, viel Wind und Sonne beste Voraussetzungen für einen schönen Energie-Mix mit Photovoltaik, Wind, Biomasse und Wasserkraft. Man wollte auf heimische Rohstoffe und regional erzeugte Energie setzen. Fichtenholz biete hier aktuell viel Potenzial. Man habe Tage, bei denen im Ort das 50-fache der benötigten Energie erzeugt wird, könne aber auch die sog. Dunkelflauten selbst abdecken. Neben dem gezielten Einsatz von staatlichen Fördermitteln sei ein äußerst wichtiger Faktor die Bürgerbeteiligung, wie Mögele hervorhebt. Diese sei ein wichtiger Grund, warum das Energiekonzept funktioniert habe, die Bürger hätten mittlerweile über 50 Mio. Euro investiert. Dies über Genossenschaftsmodelle für Windräder, in Biogasanlagen aber auch in PV usw. Man habe bewusst auf Großinvestoren verzichtet, die Anlagen seien u.a. über Beteiligungen im Besitz der Bürger. Dabei müsse natürlich neben dem ökologischen Aspekt auch der wirtschaftliche passen, die Einwohner erhoffen sich z.B. beim Investment in Windenergie auf Ausschüttungen.
Enormer Energiebedarf für Wärmegewinnung
In Wildpoldsried habe man bereits vor 24 Jahren begonnen, ein kleines Leitbild zu entwickeln. Das erste Ziel lautete so viel Energie einzusparen wie möglich. Zusätzlich soll die benötigte Energie regenerativ erzeugt werden. Als zweite Säule wurde der ökologische Baustoff Holz betrachtet. Der Schutz von ober- und unterirdischem Wasser und ökologische Abwassereinigung bildete die dritte Säule. Man habe auch den Energieverbrauch analysiert und festgestellt, dass man fünfmal so viel Energie für Wärmegewinnung benötige als für Stromerzeugung. Wärme wurde 2021 zu rund 60 Prozent aus erneuerbaren Quellen erzeugt, fast 50 Prozent über Biogasanlagen, auf Erdgas habe man bewusst verzichtet. Heute sei es auch wirtschaftlich möglich, mit Überschussstrom von PV-Anlagen Wärme zu erzeugen. Wenn dieser Bereich Fahrt aufnehme, hofft Mögele, könne man hier auch auf 100 Prozent kommen. Dabei habe der Betreiber einer Biogasanlage, die mehrere Kilometer außerhalb des Ortes liegt, die Initiative ergriffen und anstatt Wärme zu transportieren, selbst eine Leitung verlegt, die Biogas vor Ort zum Betreiben von Blockheizkraftwerken nutzbar macht. Zusätzlich setze man auf Hackschnitzel und könne so den Großteil der Wärme und auch Energie über Biomasse erzeugen. Dies ginge im Sommer über Gülle und Silogras. Im Winter brauche man bessere Energieträger als Mais, Weizen, Äpfel etc. Nur über Biogas erzeuge man doppelt so viel Energie wie im Ort benötigt wird. Ohne Schwankungen sei die Grundlast alleine dadurch gesichert. Wenn genug Sonne und Wind vorhanden sei, könne man die kleinen flexiblen Anlagen auch ausschalten. Beim Thema Photovoltaik setze man weniger auf Freiflächenanlagen, rund 40 Prozent der Dächer seien belegt - hier sieht er noch Ausbaupotenzial.
Windkraft mit Bürgerbeteiligung umgesetzt
Auch würden mit elf Windrädern, die eigentlich durchgehend laufen, über 20.000 GWh Strom erzeugt. Man habe dabei gelernt, wie wichtig es sei, dass Energienetze durch smarte Technologien - Smart Grid - gesteuert werden müssten. Ein Windrad erzeuge heute mehr Strom als der gesamte Ort brauche. Dabei sei deren Höhe zumindest an Land sehr wichtig: die Windmenge steige mit der Höhe exponentiell an. Über Beteiligungsmodelle habe man es geschafft, dass die Bürger*innen – die sich natürlich aber auch Gewinn erhoffen – hier investieren: Beim Bau der letzten beiden Windräder habe man die Beteiligungssumme sogar deckeln müssen.
Aktuell speise man den größten Teil des Stromes ins Netz ein und verkaufe ihn, weil es noch garantierte Einspeisevergütungen gäbe. Wenn diese wegfallen, werde man dazu übergehen, die Eigennutzung zu steigern sowie auf Speicher zu setzen. Hier gäbe es noch Forschungsbedarf.
Bereits in der Vergangenheit habe man durch die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und der Industrie in Wildpoldsried innovative Forschungsprojekte durchgeführt - unter anderem ein Smart Grid Pilot Projekt, in dem 40 E-Cars geladen werden. „Wenn wir 100 Prozent nachhaltige Energie nutzen wollen, müssen die Netze intelligent werden“, ist Mögele überzeugt. Auch zum Strommarkt der Zukunft mit regional erzeugten regenerativen Energien habe man geforscht, doch sei dieser Ansatz wegen der aktuellen Gesetzgebung nicht umsetzbar. In Wildpoldsried habe man mittlerweile einen Forschungs-Campus sowie ein Bildungszentrum, mit dem man auch international den Umstieg auf regenerative Energien forcieren will.