Nachhaltigkeit und nachhaltige Energie seien aktuelle Herausforderungen: Auf politischer Ebene sehe man gerade die große Abhängigkeit von Energie, erklärte Hochschulvizepräsident Prof. Dr. Marcus Jautze in seiner Begrüßung. In diesem Sommersemester wollen die Landshuter Energiegespräche exemplarisch einige Forschungsprojekte aus dem Bereich der nachhaltigen Energieforschung an der Hochschule Landshut vorstellen. Insbesondere der Baubereich spiele bei der CO2-Reduzierung eine wichtige Rolle, denn dieser sei verantwortlich für 60 Prozent des Ressourcenverbrauchs. Allein die Zementproduktion verursache 7 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes, wie Prof. Dr. Josef Hofmann, Initiator der Veranstaltungsreihe und Sprecher des Forschungsschwerpunktes Energie der HLA, ergänzte. Die Digitalisierung schafft Möglichkeiten und liefert Werkzeuge, um den Bau und den Betrieb von Gebäuden effizienter und nachhaltiger gestalten zu können. Im ersten Vortrag der Landshuter Energiegespräche im Sommersemester 2022 stellte Projektleiterin Prof. Dr. Diana Hehenberger-Risse das Forschungsprojekt DENU (Digitale Energienutzung zur Erhöhung der Energieeffizienz durch interaktive Vernetzung) vor. Ziel des Projektes sei der Aufbau einer Energie- und Ressourcendatenbank, die durch die Vernetzung von Energiebedarf in Echtzeit mit Erzeugungssystemen sowohl die Steuerung als auch Prognosen für einen effektiven Energie- und Ressourceneinsatz ermöglichen. Im System sollten sowohl Sektorenkoppelung (Strom, Wärme, Kühlbedarf und Überschuss), Wetterprognosen, Smart Meter und Gebäudeautomation vernetzt werden. Auch Geschäftsmodelle sowie die Benutzerakzeptanz wurden in Augenschein genommen.
Energiedatenmanagement - cloudbasiert, serverless und skalierbar
Es wurden Liegenschaften mit einem unterschiedlichen Nutzungszweck vernetzt und analysiert. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Kommunen sollten eigentlich neben Verwaltungs- Labor und Vorlesungsgebäuden auch Einrichtungen des Bäderdreiecks integriert werden. Wegen der Corona-bedingten Schließung von Thermen und Hotels (KJ2020) fasste man ersatzweise auch die Energieeffizienz von Kläranlagen ins Auge: Die Liegenschaften – darunter auch Gebäude der Hochschule und die Technologiezentren in Dingolfing und Ruhstorf a.d. Rott – wurden mit Messtechnik ausgestattet, Daten erfasst und über kleine Computer, so genannte Raspberry Pis, in ein einheitliches Format überführt, ausgewertet und in der Datenbank abgelegt. Auch Daten von Wetterstationen flossen für Analyse und Prognose mit ein. Das Cloud-basierte serverless Energy Management System biete einige Vorteile: Es sei nahezu grenzenlos skalierbar, erfordere keine eigene IT-Ausstattung und nur transportierte und gespeicherte Datenmengen seien zu bezahlen. Zusätzlich entwickelte das Planungsbüro HPE GmbH als Industriepartner im Projekt eine Software zur visuellen Darstellung mit Verortung über ein so genanntes geografisches Informationssystem (GIS-Anwendung). Daten über Energie-, Wärme- und Wasserverbrauch aber auch erzeugte Energie (PV-Anlagen) wurden je nach Nutzungsart, Heizungs- oder Kühlsystem, Fläche und Mitarbeiterzahl analysiert. Das Ziel an der Hochschule lautet die Energieverbräuche durch Maßnahmen wie Temperaturabsenkung bei nicht belegten Räumen um 30-40 Prozent zu senken. Es wurden Kennzahlen, so genannte EnergiePerformance Indicators EnPIs entwickelt, um abbilden zu können, wie effektiv Gebäude im Jahresvergleich betrieben werden. Dabei wurden Stromtreiber, wie z.B. die Belüftung bei Kläranalagen, identifiziert und Überlegungen angestellt wie diese optimiert werden können. Die gewonnenen Daten wurden genutzt, um Power to Heat Modelle und Prognosen bzw. Szenarien unter Einbeziehung der Stadtwerke zu entwickeln. Dies, um beispielsweise Überschussstrom aus regenerativer Energie effektiv nutzen zu können. Auch Fernwärmesysteme, die im Sommer wenig benötigt werden und teilweise 60 Prozent Netzverluste aufweisen, könnten heruntergefahren werden, stattdessen könnten beim Endkunden im Sommer für die Wassererhitzung Heizpatronen oder Wärmepumpen genutzt werden. Durch die Anbindung von Wetterdaten sind Prognosemodelle möglich, die z.B. bei schönem Wetter verstärkt auf PV-Strom setzen und das Wärmesystem frühzeitig heruntergefahren wird. Die Prognosegenauigkeit liege mittlerweile bei 98 Prozent, um Heiz und Kühlsystem bis zu 3 Tage steuern zu können.
Energieeffizienz bei Planung und Bau
Im Projekt wurden aber nicht nur die Energie-, Wärme- und Wassernutzung in Gebäuen betrachtet, sondern auch die so genannte graue Energie, also die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Gebäudes anfällt. Die Digitalisierung biete auch hier wertvolle Möglichkeiten, um Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden effizienter zu gestalten, erklärte Dr. Max Huber vom Projektpartner Sehlhoff Planungsbüro. Schon beim Planen von Gebäuden fallen Daten über die verwendeten Baustoffe und ihre Mengen an. Diese sollen in Zukunft genutzt werden, um nicht nur Gebäude zu errichten, sondern auch energieeffizient betreiben zu können. Durch ein digitales Gebäudemodell (Building Information Modelling BIM) könne man Raumgröße, Mengen und Materialien genau abbilden. Um die graue Energie in Gebäuden analysieren und minimieren zu können, wurde im Projekt eine Software entwickelt, die das BIM-Modell nutzt, um die Umweltbilanz eines Gebäudes berechnen zu können. Schon im Vorfeld könne man dadurch beispielsweise überlegen, ob man Materialien mit hoher CO2-Belastung nicht durch andere mit positiverer Bilanz ersetzen kann, z.B. Stahlbeton durch den CO2-Speicher Holz. Die Software GREENi biete hier eine wertvolle Hilfestellung. Natürlich spielen Statik-, Brand- und Schallschutz bei Gebäuden eine wichtige Rolle, doch könne über das Tool die Ressourcennutzung optimiert sowie eine Lebenszyklus-Betrachtung durchgeführt werden. Bei der Planung eines Gebäudes sollte eine Bedarfsanalyse gemacht werden, um genau nach dem entsprechenden Nutzungsanspruch oder auch flexibel zu bauen. Denn ein Umbau sei deutlich effizienter als ein Abriss und Neubau. Ein gutes Beispiel sei der Sehlhoff-Firmensitz in Landshut: die ebenfalls im Projekt analysierte, so genannte InnovationsFabric sei Verwaltungs- aber auch Hörsaalgebäude und kann durch verschiebbare Wände mit wenig Aufwand in ein Wohnhaus umgebaut werden, wenn nicht mehr so viele Büroarbeitsplätze nötig sind. Zusätzlich biete die Software für die Umweltbilanzierung die Möglichkeit, eine Energiebilanz von Gebäuden zu erstellen. Kombiniere man die hinterlegten Baukennwerte mit einer Wetterdatenbank, Belegzeiten von Büros und der individuellen der Nutzung von Räumen, könne man z.B. die aktuelle Heizleistung oder per Simulation bereits im Vorfeld die benötigte Größe der Heizanlage berechnen, die gerade bei Gebäuden mit Dämmung weiter unter der entsprechenden Norm liegt. Auch konnte durch die individuellen Lastprofile und die Verwendung von künstlicher Intelligenz der Einsatz von Messtechnik minimiert werden. Das thermische Verhalten von Gebäuden sei bei einer guten Datenlage durch physikalische Gleichungen gut abbildbar, mit Algorithmen und Parametern wie Energieverbräuchen oder Volumenströmen in Heizkreisen lerne das System, wie das Gebäude sich verhält. So könne man über eine Messung im Heizkessel im Keller Vorhersagen treffen. Man habe im Forschungsprojekt mit der Hochschule Landshut sehr viel gelernt, ein Patent angemeldet, einen Umwelt-Preis gewonnen und sei dabei, die Ergebnisse auch wirtschaftlich zu verwerten, so Huber. Veranstaltet werden die Landshuter Energiegespräche vom Forschungsschwerpunkt Energie, dem Technologiezentrum Energie und dem Institut für Transfer und Zusammenarbeit der Hochschule Landshut; unterstützt werden sie durch die Partner Solarfreunde Moosburg und Freundeskreis Maschinenbau der Hochschule. Aktuelle Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie unter
www.haw-landshut.de/la-energiegespraeche.