Der Umgang mit Klärschlamm aus kommunaler Abwasserreinigung hat sich mit der Novellierung der Klärschlamm- und der Düngemittelverordnung stark verändert: Grenzwerte wurden verschärft, der Austrag auf landwirtschaftliche Flächen ist nur noch sehr begrenzt erlaubt, Phosphor muss zusätzlich zurückgewonnen werden. Nachhaltige Klärschlammverwertung im ländlichen Raum stand deshalb im Fokus der abschließenden Veranstaltung der Landshuter Energiegespräche im WS 2020/2021. Die rund 70 online zugeschalteten Teilnehmer/-innen begrüßte Hans Stanglmair, Vorsitzender der Solarfreunde Moosburg, ebenso wie der Freundeskreis Maschinenbau der Hochschule Partner der Landshuter Energiegespräche. Das Projekt „Green Infrastructure Maßnahmen aus Klärschlamm-Kaskadennutzung (greenIKK)", das von Prof. Dr. Diana Hehenberger-Risse geleitet und durch Prof. Dr. Josef Hofmann wissenschaftlich begleitet wurde, stellte die mit der Durchführung beauftragte wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Straub (Technologiezentrum Energie der Hochschule Landshut) in ihrem Vortrag mit anschließender Diskussion am 18.01.2021 vor. Die Projektregion umfasste die bayerisch-tschechische Grenzregion um die Landkreise Tirschenreuth und Cheb mit ihren 45 Kläranlagen. Beteiligte Partner waren neben dem Technologiezentrum Energie der Hochschule Landshut der Zweckverband IKom Stiftland, die Firma CHEVAK Cheb a.s. als maßgeblicher Kläranalgenbetreiber der tschechischen Region, und VULHM (Forestry and Game Management Research Institute) in Prag. Gefördert wurde das Projekt durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung; Ziel ETZ Freistaat Bayern-Tschechische Republik 2014 – 2020.
Ganzheitliches Konzept für die Nutzung und Verwertung von Klärschlamm
Durch die verschärften Anforderungen an die landwirtschaftliche und landbauliche Nutzung von Klärschlamm aus kommunaler Abwasserreinigung entsteht ein erhöhter Kostendruck auf die Abwasserentsorger und die Frage nach der Verwendung des anfallenden Klärschlamms. Im Forschungsprojekt greenIKK wurden Möglichkeiten entwickelt, dieser Situation entgegenzuwirken und Wege für einen unter ökologischen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten optimalen Verfahrensablauf zum Umgang mit Klärschlamm aufgezeigt. Eine stoffliche Nutzung, durch eine Rückgewinnung von Nährstoffen und deren Rückführung in die Ökosysteme wurde neben der energetischen Verwertung von Klärschlamm im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts fokussiert. Die biologische Abwasserbehandlung und auch eine Entwässerung oder Trocknung des Klärschlamms sei sehr energieintensiv, wie Julia Straub in Ihrem Vortrag erläuterte. Dies gelte auch für den Transport, insbesondere, wenn noch ein hoher Anteil an Wasser enthalten sei. Der Klärschlamm enthalte natürlich Schadstoffe, aber auch essenzielle Nährstoffe wie Phosphor. Zwischen 7.000 und 10.000 Tonnen Phosphor befänden sich (lt. Bayerischem Landesamt für Umwelt) im bayerischen kommunalen Klärschlamm. Phosphor sei zum kritischen Rohstoff erklärt worden, könne nicht ersetzt oder künstlich hergestellt werden, sei nur schwer abbaubar und müsse importiert werden.
Analyse des Status quo und der Optionen
In einem ersten Schritt seien im Projekt die Kläranlagen in der Zielregion analysiert worden. Es seien überwiegend kleinere Kläranlagen ausgebaut für 75 bis 65 000 Einwohner in den Kommunen vorhanden. Auch Auslastung, Art der Abwasserbehandlung, Klärschlammanfall und -verwertung (häufig in Mitverbrennungsanlagen), Transportdistanzen und die für die Klärschlammentsorgung anfallenden Kosten wurden analysiert. Nach der Erhebung des Status quo wurde überlegt, welche anderen Konzepte genutzt werden könnten, um den Klärschlamm energieeffizient und umweltschonend behandeln bzw. verwerten zu können. Verschiedene Verfahren zur thermischen Verwertung wurden ebenso wie Trocknungskonzepte und -Technogien sowie Phosphor-Rückgewinnungsverfahren verglichen. Im Anschluss wurden Szenarien entwickelt und mit der Methode der Ökobilanz, entlang des gesamten Weges des Klärschlamms vom Eintreffen in der Kläranlage über die Reinigung und das Ausgangsprodukt bis zur Verwertung, analysiert. Mit einer Software, in der die Betriebszustände in Kläranlagen abgebildet und analysiert werden können, wurde eine Kläranlagensimulation durchgeführt und anschließend die Kosten ins Auge gefasst. Weiterhin wurde überlegt, was es kosten würde, wenn sich ein Verbund beispielsweise eine Verbrennungsanlage anschaffen würde, Investitions- und Betriebskosten wurden ebenso berücksichtigt, wie der erzielbare Gewinn durch den potenziellen Verkauf von Düngemitteln. Zusätzlich floss auch eine soziale Bewertung mit in die Überlegungen ein, die Akzeptanz in der Bevölkerung, sowie das Risiko sowie einer kommunalen Verwertungsanlage. Aktuell würde Klärschlamm oft in andere Bundesländer verbracht, es entstünden in der Region nur Kosten, Wertschöpfung erfolge häufig wo anders.
Handlungsempfehlungen für die Region erarbeitet
Schließlich wurden Handlungsempfehlungen für die Projektregion erarbeitet. Im Bereich der Faulung / Stabilisierung von Klärschlamm bedeutet der Bau von Faultürmen sehr hohe Investitionskosten. Besser wäre es, unter Berücksichtigung von Transportwegen vorhandene Faultürme zu sanieren und auszubauen. Eine Entwässerung des Klärschlamms wäre im kommunalen Verbund möglich, ohne wie bisher auf externe Versorger zurückgreifen zu müssen. So könnte man über längere Zeit entwässern und das Wasser sukzessive wieder in die entsprechenden Kläranlagen zurückleiten. Eine empfehlenswerte Option wäre zusätzlich die Trocknung des Klärschlamms unter Einsatz von Abwärme aus vorhandenen Biogasanlagen. So könnte der Klärschlamm energieeffizient getrocknet und das Restsubstrat leicht thermisch verwertet werden.
Trocknungsanlagen seien nur eine gute Idee, wenn auch die Abnahmekapazitäten vorhanden seien. Nur getrockneter Klärschlamm sei allerdings häufig schwer zu entsorgen. Monoverbrennung biete sich an, wenn Kommunen selbst evtl. über bestehende Anlagen die thermische Verwertung vornehmen wollen, dies am besten im Verbund, weil hierzu große Mengen erforderlich seien. Die phosphorhaltige Asche könne dann ggf. als Basis für ein Düngemittel genutzt werden. Eine Analyse von Rückgewinnungsverfahren habe ergeben, das Anlagen, die Phosphor aus Klärschlammasche gewinnen wollen aufgrund der hohen Kosten, nur sehr bedingt für die eher bevölkerungsarme Region geeignet sind. Für die Rückgewinnung aus Klärschlamm dagegen gäbe es momentan nicht genügend Praxis-Erfahrungen, dies sei für die Verantwortlichen in den Kommunen dadurch noch zu risikobehaftet. Doch wäre dies ein Ansatz, um in einem Pilotprojekt weitere Erfahrungen zu sammeln.
Die Umsetzung von Maßnahmen wird im Rahmen eines geförderten Projekts empfohlen, um die Risiken durch Investition und Betrieb für die Kommunen und damit auch die Gebührenzahler zu reduzieren.
In den beteiligten Kommunen werden auf Basis der im Projekt erarbeiteten Erkenntnisse und Szenarien die Weichen für die Zukunft gestellt. Die zahlreichen Fragen im Anschluss an die Veranstaltung, für deren Beantwortung die Projektbeteiligten der HAW Landshut zur Verfügung standen, zeigten, dass viele Kommunen auf der Suche nach dem richtigen Weg für eine nachhaltige Verwertung von Klärschlamm sind.