KI und die digitale Transformation, Nachhaltigkeit sowie geopolitische Krisen stellen Unternehmen und ihre Leitung vor große Herausforderungen. Die Veranstaltung stellt die drei Kernbereiche neues Unternehmertum, technologische Innovation sowie digitale und nachhaltige Transformation in den Mittelpunkt. Um auch in der Zukunft wettbewerbsfähig sein zu können, müsse die Transformation wegen der veränderten Rahmenbedingungen weit über die Digitalisierung hinausgehen, erläuterte Veranstaltungsinitiator Prof. Dr. Hubertus C. Tuczek (Hochschule Landshut). Die Referenten*innen, führende Persönlichkeiten, Leader aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, wollten positive Impulse setzen, aber auch einen Weckruf geben, wie es Prof. Dr. Niko Mohr (Global Partner McKinsey) in seiner Keynote formulierte, auf Zukunftstrends zu setzen und jetzt mit der Transformation zu beginnen.
Durch KI zur Industrie 5.0
Wir müssen Digitalisierung mit KI neu denken, ist Prof. Dr. Hubertus Tuczek in seiner Keynote zur Digitainability (Digitalisierung und Nachhaltigkeit) überzeugt. Es seien enorme Produktivitätsgewinne zu erwarten, durch KI werde eine neue Dimension der Digitalisierung, eine Industrie 5.0, möglich. Und auch für den Bereich Nachhaltigkeit, auf dem Weg von der linearen Ökonomie zur Kreislaufwirtschaft, biete diese Entwicklung ein riesiges Potenzial. Veränderte Prozesse, digitale Zwillinge, smarte Energienetze, Mobilitätssteuerung oder auch neue Materialien lauten hier einige Stichworte für eine zukunftsgewandte Entwicklungen. Voraussetzung seien allerdings Änderungen des Verhaltens und des grundlegendenden Mindset. Gerade das Mindset bräuchte immer wieder Updates, um in einer veränderten Welt richtig funktionieren zu können. So sei Deutschland im Bereich der Grundlagenforschung auf Augenhöhe mit den USA, doch beim Umsetzen von Erkenntnissen und Ideen in tatsächliche Innovationen fallen wir deutlich ab. Neben neuen Technologien sei die Veränderung in Unternehmen und dessen Management eine besondere Herausforderung. Neue Geschäftsfelder müssten entwickelt und etabliert werden, unternehmerischer Mut auch für disruptive Modelle sei erforderlich. Gründergeist, um Neuerungen in den Markt zu bekommen, Transformationen in Unternehmen und Innovation seien nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit sichern zu können.
Mit Tech-Trends zum Wachstum
Prof. Dr. Niko Mohr nutzte seine Keynote über die Dynamisierung des Wandels in einer Welt des globalen Umbruchs für einen Aufruf. Das Wachstum und der aktuelle Wohlstand basieren zu einem großen Maße auf Technologieentwicklung. Im McKinsey Global Institute wurden 15 große Trends herausgearbeitet, die das Wirtschaftswachstum der Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. Diese bewegen sich in den Bereichen: AI-Revolution, Digitale Zukunft schaffen, Datenverarbeitung und Konnektivität, Spitzentechnologie (Bioengineering, Mobilität, Raumfahrt) sowie Nachhaltigkeit. Diese Trends und ihre Kombination seien grundlegen für die Zukunftsentwicklung der Industrie und des Wohlstands in unserer Gesellschaft.Europa sei in vielen dieser Trends nicht führend, gerade auch bei Software, Infrastruktur und Computer getriebenen Themen. „Wir dürfen diesen Zug nicht vorbeifahren lassen“, betont Prof. Dr. Mohr, da Europa sonst Gefahr laufe, den Anschluss – auch beim Wachstum - zu verlieren. Gerade generative oder angewandte (applied) KI führen zu einem Wandel mit enormem Anwendungs- und Wachstumspotenzial. Generative KI betreffe alle Prozesse im Unternehmen und biete ein gigantisches Wachstumspotenzial. Für KI mit ihrer riesigen Datenmenge sei auch Rechenleistung grundlegend, deshalb betrachtet Prof. Dr. Mohr gerade Quanten-Computer-Technologie, die Grundlage für eine exponentielle Steigerung sein werde, als bedeutendes Thema. Dabei spielen für ihn Investitionen, Start-ups und deren Finanzierung bei stark verkürzten Innovationszeiten eine besondere Rolle: „50 Prozent des Umsatzes wird in 5 Jahren aus Unternehmen kommen, die es heute noch gar nicht gibt“, ist Mohr überzeugt. Die Tech-Trends zu verschlafen sei keine Lösung, Unternehmen und ihre Führungskräfte müssen durchschnittlich acht dieser Tech-Trends bedienen, um auch zukünftig erfolgreich sein zu können.
Start-ups als Jobmotor von morgen
Das erste Panel der Veranstaltung befasste sich mit neuem Unternehmertum. Laut einer Studie werden in 10 Jahren 50 Prozent der Arbeitsplätze in Start-ups sein, wie Moderatorin Prof. Dr. Martina MItterhofer erläuterte. „Erfindergeist reicht nicht, Unternehmergeist muss hinzukommen“ zitierte Prof. Dr Rafaela Kraus, Vizepräsidentin Entrepreneurship der Universität der Bundeswehr, eine Aussage des Ökonomen Joseph Schumpeter: Der Transfer müsse priorisiert und kulturell verankert werden, dies besonders auch in Universitäten und Hochschulen: Forscher müssten zu Gründern werden, eine Gründungskultur etabliert werden. Die Bedeutung eines Teams für die Gründung und Start-ups sowie eines Mindset, das auch Fehler erlaubt, betonte Nicola Baumgartner (Geschäftsführerin Natura GmbH und Gründerin Shuyao Teekultur). Sebastian Göbel (Co-Founder & CEO Vispa) wünschte sich mehr finanzielle Mittel für Gründer, er plädiert an Mittelständler und große Unternehmen, mehr mit Start-ups zusammenzuarbeiten, hier auch mal ins Risiko zu gehen.Wie ein Unternehmen strategisch in neue Technologien und Start-ups investiert, zeigte Business Development Managerin Inga Grieger am Beispiel von BMW i Ventures. Das Unternehmen sei 2016 mit ihrem ersten Fonds in Silicon Valley gestartet und investiert in Unternehmen bzw. Produkte, die für die Fahrzeugindustrie relevant werden könnten, dies entlang der gesamten Lieferkette und auch in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. In Amerika seien Gründer Wiederholungstäter, die Gründung als Chance sehen. Sie fordert auch hier dazu auf, eine Gründermentalität an den Tag zu legen, bei Innovationen eine USP (Unique Selling Proposition) zu finden und im Team in die Gründung zu gehen. Sie hatte auch eine hoffnungsvolle Nachricht: Aktuell habe man erstmals mehr im europäischen Raum als in Nordamerika investiert, so könne Innovation nicht nur im Silicon Valley sondern auch im Isar Valley stattfinden.
KI führt zu Paradigmenwechsel
Mit Innovationen besonders in den Technologiefeldern künstliche Intelligenz und Quantentechnologie, die ein exponentielles Wachstum versprechen, befasste sich das zweite Panel der Veranstaltung. Dabei betont die Moderatorin Dr. Susan Lindner (Leiterin Digitalisierung, bayern innovativ GmbH) die rasante Entwicklung der Möglichkeiten von KI, ChatGPT, Bildgeneratoren usw. in nur wenigen Monaten. Dies seien auch die häufigsten Themen bei Microsoft, wie Anna Kopp (Digital Experience Lead Germany, Microsoft) erklärte. Dabei ist sie überzeugt, aktuell nehme künstliche Intelligenz niemanden den Job. Aber jemand, der KI effektiv einsetzen kann, werde es künftig tun. Digitale Transformation sei kein reines Tech- sondern ein People-Thema. Man müsse die Menschen mitnehmen. Auch der von Microsoft als persönlicher Assistent und Unterstützung geschaffene „Copilot“ mache nur, was der Mensch ihm sage.
Einen Einblick in die Möglichkeiten und die rasante Entwicklung von generativer KI bot Prof. Dr. Eduard Kromer (Hochschule Landshut. Er zeigte die Entwicklung hin zum fotorealistischen Bereich bei der Generierung von Fotos und ganzer Filmsequenzen. Erklärbare KI erlaube auch die Frage nach dem Warum, z.B. bei Entscheidungen beim autonomen Fahren. Ungeklärt seien u.a. rechtliche Fragen, z.B. wenn Bilder von Künstlern zum Anlernen von KI verwendet werden oder wie man Fake-Inhalte, die nicht mehr als solcher zu erkennen sind, reguliert oder kennzeichnen kann.
Merkmal der generativen KI sei es, Text, Sprache, Bild oder 3D-Inhalte auf Basis einer sprachlichen Beschreibung – ohne Code-Skills – generieren zu können, wie Bernhard Pflugfelder, Head of AI Use Cases & Application, appliedAI Initiative GmbH, erläuterte. Dies führe zu einem Paradigmen-Wechsel in der Software- und Anwendungs-Entwicklung mit radikaler Vereinfachung in vielfältigen Bereichen. Aktuell sei in Unternehmen eine wichtige Frage, wie Prozesse optimiert werden können. Gerade bei digitalen Unternehmensdaten gäbe es viele Anwendungsfälle, bei denen man nur kleine Modelle für eine KI-Lösung benötige.
Skills ausschlaggebend für Umsetzung einer nachhaltigen Transformation
Das dritte Panel des Leadership-Forums befasste sich mit der Frage, wie Unternehmen Transformation digital und nachhaltig gestalten können. Hier spiele der Mensch eine zentrale Rolle, der die Transformation operativ umsetzen soll, aber auch die entsprechenden Fähigkeiten benötigt. „Wir werden Transformation jeglicher Art nicht bewältigen, wenn wir den Skill-Gap nicht lösen“, erklärte Dr. Philipp Ramin (CEO & Founder, i40 – the future skills company). Es fehle an zukunftsorientierten Fähigkeiten und Fertigkeiten, dies vom handwerklichen bis hin zum Management-Bereich, um innovative Projekte umsetzen zu können. Es sei eine Management-Aufgabe, zu überlegen, wer welche Skills für welche Aufgaben benötigen wird und die Mitarbeiter zur Weiterbildung zu motivieren. Für Erin Beilharz (Head of Strategic Innovation Partnerships, Lufthansa Group) bietet gerade Künstliche Intelligenz viele Chancen für nachhaltige Veränderungen. Dies betreffe in der Luftfahrt u.a. alle Bereiche, in denen Gewicht eingespart werden kann, z.B. durch neue, leichtere Materialien, E-Fuels oder auch datengetriebene Optimierungen, von der optimierten Flugabwicklung und -route bis hin zum autonomen Fliegen. Viele technische Lösungen würden bei Lufthansa von deutschen Ingenieuren entwickelt, die hier ihre Stärken hätten. Aber andere brächten Entwicklungen und Produkte schneller auf den Markt. Beilharz plädierte deshalb für Diversität in Teams, durch die Kombination der deutschen Ingenieurskompetenz mit anderen Kulturen und Disziplinen könne man Innovationen schneller umsetzen.
Es sei alternativlos, in die Transformation zu gehen, um in Deutschland Arbeitsplätze zu sichern und wettbewerbsfähig zu bleiben, ist Gianni Di Loreto (SVP Head of Transformation Management, Dräxlmaier Group) überzeugt. Gerade im Bereich der Mobilität gäbe es beim Thema Nachhaltigkeit viele Herausforderungen, die ohne eine Veränderung im Mindset, in Prozessen, Methoden und der Gesamtorganisation nicht zu lösen seien. Wichtig seien digitale Wertschöpfungsketten, die den Weg zur Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Mit der Innovationskraft kleinerer und der Stärke großer Unternehmen könne man gemeinsam wieder aufholen. Gerade für den Mittelstand sieht Bernd Kombrecht (Senior Manager kobaltblau Management Consultants) große Chancen durch die digitale Transformation. Gegenüber den Argumenten nicht die nötigen Kompetenzen, Strukturen und Finanzen zu haben, sprächen flache Hierarchien, schlanke Prozesse, große Kundennähe, hohe Innovationskraft und ein ausgeprägtes Unternehmertum für diese Unternehmen. Das nötige Mindset und Gedankengut passe sehr gut zur DNA von Mittelständlern, der Impuls für Veränderungen müsse aus der Unternehmensleitung kommen.
Beim Abschlusspodium betonten die Moderator*innen und Prof. Dr. Tuczek noch einmal die Dynamik der Entwicklung rund um ChatGPT und KI. Anstatt in eine Art Schockstarre zu fallen, sollte man offen an die Sache herangehen, niederschwellig anfangen, Erfahrungen sammeln, daraus lernen und dann versuchen durchzustarten. Basis für die Transformation ist ein verändertes Mindset, im Mittelpunkt der neuen Entwicklungen müsse der Mensch stehen, der die KI umsetzt und den sie unterstützen soll. Mit Vertrauen in den „German Ingenieur“ und einer gestärkten Gründermentalität solle man die digitale Transformation unter der Berücksichtigung der zukünftigen Tech-Trends jetzt beginnen. Eindrücke vom Landshut Leadership Forum 2023 bietet die
Fotogalerie, aktuelle Informationen zur Reihe immer unter
www.haw-landshut.de/landshut-leadership.