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Energiewende: rechtliche Rahmenbedingungen oft als Hemmschuh

Viel Optimierungspotenzial sieht Energierechtsexperte Rechtsanwalt Matthias Albrecht bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. „Rechtliche Hindernisse bei der Energiewende“ lautete der Titel seines Online-Vortrags im Rahmen der Landshuter Energiegespräche am 15. November 2021 an der Hochschule Landshut.

Die Landshuter Energiegespräche seien mittlerweile eine Institution an der Hochschule, erklärte Vizepräsident Prof. Dr. Marcus Jautze bei seiner Begrüßung der rund 80 online zugeschalteten Teilnehmer/innen. Die Themen der Veranstaltungsreihe seien in den letzten Jahren sehr stark auf technologische Herausforderungen fokussiert gewesen, mit der aktuellen Veranstaltung habe man den Blickwinkel auf politische bzw. rechtliche Rahmenbedingungen erweitert. Diese seien wichtige Weichenstellungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiebewirtschaftung. Es sei der richtige Zeitpunkt sich mit dem Thema Energierecht zu befassen, ergänzte Veranstaltungsinitiator Prof. Dr. Josef Hofmann, da sie grundlegend seien, um den CO2-Ausstoß verringern zu können.

EEG-Gesetz nicht mehr zeitgerecht

Der Energierechts-Experte Rechtsanwalt Matthias Albrecht (Becker Büttner Held BBH, München) betonte augenzwinkernd, er freue sich sehr auf den Vortrag, „denn wann darf man denn schon mal schimpfen“. Doch es sei nicht alles schlecht, gerade das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) habe sehr vieles Positives bewirkt. Den Preisverfall bei PV- oder Solarmodulen würde es ohne dieses Gesetz - das durch die deutschen Stromkunden finanziert worden sei – nicht geben. Aus heutiger Sicht hofft er allerdings, dass die EEG-Umlage abgeschafft wird, sie stelle aktuell eine Fehlsteuerung dar, weil sie den Strom teuer mache. Die nötige CO2-Reduzierung sei aber nur zu schaffen, wenn fossile durch erneuerbare Energie ersetzt werde, und dazu dürfe man Strom nicht teuer machen, da dies den Einsatz z.B. von Elektromobilität und Wärmepumpen aufhalten würde. Allerdings müsse man den Ausstieg sehr wohl überlegt angehen, da sich große Energieverbraucher und Eigenversorger auf das jetzige Regelsystem eingestellt hätten, in vielen Bereichen seien Übergangsregelungen nötig. Bisher sei die EEG-Umlage für große Verbraucher fast bei Null gewesen. Eigenversorger, z.B. Erdgasbetriebene BHKWs, würden ihren Vorteil verlieren, wenn man die Förderung bzw. das EEG abschafft und das über CO2-Bepreisung finanziert. Auch eine dezentrale Stromerzeugung, die sehr viele Unternehmen jetzt betreiben, sei oft sehr umweltschonend. Es werde wohl auch bei der CO2-Bepreisung Ausnahmen geben müssen. Auch sei das EEG ein „regulatorisches Monstrum“ geworden, es würden manchmal schon Änderungen beschlossen, bevor alte Änderungen in Kraft getreten sind und es gäbe viele Übergangsregelungen. Dies habe das Regelwerk unglaublich kompliziert gemacht. Insgesamt müsse man radikal umsteuern, die EEG-Umlage abschaffen, dabei aber auch die Auswirkungen bedenken.

Auch weitere rechtliche Bestimmungen verbesserungswürdig

Als weiteres Negativ-Beispiel nennt er die Strommengenabgrenzung bei Eigenversorgung. Für unterschiedliche Verbraucher oder auch bei alten, neuen oder modernisierten Anlagen gelten unterschiedliche Regelsätze. Strommengen müssten Viertelstunden genau abgegrenzt, also selbst erzeugte und verbrauchte Mengen erfasst werden. „Da blickt niemand mehr durch“. Eine Übergansregelung bis Ende des Jahres erlaube auch Schätzungen. Dann müsse man für die Abgrenzung viele Geld in Messeinrichtungen investieren, Geld, das verschwendet ist, wenn die EEG-Umlage fällt. Dies habe vielen Unternehmen die Lust genommen PV-Anlagen auf die Dächer zu bauen. Auch der unmittelbare räumliche Zusammenhang von Erzeugungseinrichtung und Verbrauch sei Unsinn, dadurch hätten Unternehmen anstelle einer große viele teurere und weniger effiziente kleine Anlagen gebaut. Sonderregelungen wie die Ausnahme der intensiven Netznutzung durch Großverbraucher, die sehr geringe Netzentgelte zahlen, oder die der singülär benutzten Betriebsmittel sieht er ebenfalls kritisch. Die gegen den Rat vieler Experten in Bayern eingeführte 10H-Regelung hätten dem Ausbau der Windenergie in Bayern nachhaltig extrem geschadet. Die Botschaft habe gelautet, „Windräder sind störend“. Auch wäre eine bessere Alternative gewesen, anstelle der Gemeinden diejenigen bei Windkraftanlagen finanziell zu beteiligen, bei denen sie tatsächlich stehen. So hätte man den Nutzungskonflikt zwischen Anlagenbetreibern und Menschen in der Region lösen können. Auch die Konzessionsabgaben, Geld das Netzbetreiber bezahlen, wenn sie durch Gemeinden etc. Strom leiten, hinterfragt er kritisch. Sie seien für Kommunen eine sehr wichtige Geldeinnahmequelle, dabei bekämen kleine Gemeinden wesentlich weniger Geld als große, obwohl bei kleinerem Weg wesentlich mehr Abnehmer angebunden sein können. Für Sonderkunden, die schon wenig für Strom zahlen, würden gar keine Konzessionsabgaben anfallen. Sinnvoll wäre evtl. Konzessionsabgabe von der Wegenutzung zu lösen, und z.B. Kommunen zu erlauben, zu unterscheiden, wie umweltfreundlich der Strom erzeugt oder wie flexibel er genutzt wird. Verbesserungsbedarf sieht er auch beim Gebäudeenergiegesetz, das Standards festlegt, wie energieeffizient neue Gebäude sein müssen. Obwohl das Gesetz noch nicht alt sei, liege es weit hinter dem zurück, was technisch möglich und erforderlich sei, um Gebäude im Verbrauch zu minimieren. Es würden zu viele Gebäude errichtet, die nicht den Standard haben, den wir bräuchten. Und wir haben nicht viel Zeit.

Umbaukosten des Energiesystems finanzieren

Für eine gelingende Energiewende sei es von sehr großer Bedeutung, in den nächsten 23 Jahren einen gigantischen Umbau mit Kosten in Billionenhöhe zu finanzieren. Man müsse jetzt dafür sorgen, dass das Geld auch international fließen kann. Da gäbe es aber bedeutende Hindernisse wie z.B. den IFRS 16 (international Financial Reporting Standard). Dieser Bilanzierungsstandard für große Unternehmen gelte international und besage, dass bei sehr vielen Leasingverhältnissen sowohl Leasinggeber als auch -nehmer Anlagen bilanzieren müssen. Viele Unternehmen wollen Anlagen, Produkte klimaneutral umstellen, hätten aber das nötige Eigenkapital nicht. Ein erfolgversprechendes Modell könne sein, dass Fonds-Gesellschaften Geld sammeln und Eigentümer von Anlagen werden, die Unternehmen gegen eine Leasingrate zur Verfügung gestellt wird. Dass laut IFRS auch Nutzer Anlagen bilanzieren bzw. abschreiben müssen, mache es schwer, Geld zu mobilisieren. Auch an der Stelle müsse über Veränderungen nachgedacht werden. Positiv äußert er sich über das, was sich gerade im wirtschaftlichen Bereich tue, Unternehmen wie Münchner Rück oder Allianz seien mit ihren Investments weiter als die Politik und auch die Industrie. Diese solle wettbewerbsfähig bleiben, die Frage laute aber „wie“. Er plädiert für eine europäische Einigung mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen, verbunden z.B. mit eine Art Zoll für diejenigen, die Produkte mit mehr CO2 erzeugen. Die Landshuter Energiegespräche wollen in diesem Wintersemester alternative Wege für eine erfolgreiche Energiewende aufzeigen. Veranstaltet wird die Reihe vom Forschungsschwerpunkt Energie, dem Technologiezentrum Energie und dem Institut für Transfer und Zusammenarbeit der Hochschule Landshut, unterstützt werden sie durch die Partner Solarfreunde Moosburg und Freundeskreis Maschinenbau der Hochschule. Nächste Veranstaltung

Vortrag/Diskussion:
Der Weg zu einer Energiewende mit 100 Prozent erneuerbarer Energie


Termin: Montag, 10. Januar 2022, 18.30 Uhr
Ort: ONLINE
Referent: Raimund Kamm, Sprecher LEE Bayern, Landesvertretung Bayern des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. Weitere Informationen und Anmeldung unter

www.haw-landshut.de/la-energiegespraeche