Wie können Unternehmen in eine immer komlexer werdenden Welt, in der die Digitalisierung durch die Corona-Krise einen enormen Schub erfahren hat, neue Lösungen entwickeln, die schnellen Kundennutzen versprechen? Antworten bot das Landshut Leadership Forum an der Hochschule Landshut. Neues unternehmerisches Denken in Ökosystemen mit Wert auf Strategie und Unternehmenskultur waren einige Themen, die rund 150 Führungskräfte und Entscheider am 19. November 2020 in Vorträgen und Workshops diskutierten. Der Titel des erstmals online durchgeführten Versanstaltung lautete „Mit neuem unternehmerischen Denken gestärkt aus der Krise“. Highlights der Veranstaltung bildeten u.a. die Keynotes von Dr. Uwe Dumslaff (Executive Vice President & CTO Capgemini) Florian Nöll (Head of Digital Ecosystems/Next Level, PwC) sowie Josef Brunner, CEO relayr. Von der online-Lehre und dem Homeoffice für Mitarbeiter bis zur Mensa to go: in der Corona-Krise mussten auch an der Hochschule Landshut viele Herausforderungen bewältigt werden, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbacher in seiner Begrüßung erläuterte. Eine spannende Zeit, in der viele wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, die aber auch die Chance biete, Neues ausprobieren zu können und sich für die Zukunft neu aufzustellen. Die Welt sei nach wie vor durch VUCA (volatility‚ uncertainty ‚complexity ‚ambiguity) geprägt, ergänzte Prof. Dr. Helmut Klausing, Präsident der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.. Verstärkt durch Corona sei ein immenser Digitalisierungsschub entstanden. Doch gerade in diesen Zeiten sei es mit Blick auf die Mitarbeiter wichtig, Orientierung zu geben, Ängste zu nehmen und Vertrauen nicht aufs Spiel zu setzen, wie er betonte. Nicolai Harnisch stellte das Zentrum Digitalisierung.Bayern (ZD.B) der Bayern Innovativ GmbH, vor, das ebenso wie Capgemini, GPM und der Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure Kooperationspartner der Veranstaltung ist.
Digitales Update für die Gesellschaft 5.0 notwendig
Die Digitalisierung habe in den letzten Monaten viel verändert, es wurden Probleme gelöst, die wir uns vor Corona gar nicht vorstellten konnten, erklärte Dr. Uwe Dumslaff, Executive Vice President & CTO Capgemini, in seiner Keynote „Digitale Transformation und Gesellschaft 5.0“. Beispielsweise sei innerhalb von zwei Wochen für die Mitarbeiter/innen eines Großunternehmens Homeoffice eingerichtet worden, vorher unvorstellbar. Die enorme Dynamik in der Wertschöpfungskette habe man z.B. auch bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes in einer bis dahin nicht möglich geglaubten Geschwindigkeit gesehen. Mit dem enormen Digitalisierungsschub sei für die Führung in Unternehmen die richtige Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen wichtig. Ausgehend von den Erfahrungen mit Corona müsse man eine Mehrwertdiskussion führen, welche positiven Veränderungen beibehalten werden sollen. Als Trends der Digitalisierung und der Gesellschaft 5.0 nennt er Globalisierung, Demografie und Klimawandel, dies in den Lebensfeldern Arbeit und Einkommen, Migration, Mobilität und Urbanisierung, Alter und Gesundheit. Er zeigt gesellschaftliche Problemfelder vom Pflegenotstand über Migration bis und Klimaschutz auf und die Auswirkungen der Digitalisierung auf und geht auf digitale Trends wie die E-Mobility und autonomen Fahren sowie Telemedizin ein.Die Digitalisierung bringe einen schnellen Wandel, sei aber ein langer Weg, der nie fertig sei, aber man müssen den Anfang machen. Dabei müsse versucht werden, die Gesellschaft, alle Menschen mit den unterschiedlichsten Ausprägungen, mitzunehmen und niemanden zurückzulassen.
In Ökosystemen gemeinsam neue Lösungen entwickeln
Das Paradigma „man kann alles selbst machen und das am besten“ ist abgelöst, stellte Florian Nöll, Head of Digital Ecosystems/Next Level, PwC, in seiner Keynote „Digital Ecosystems: Interaktion und Integration von Start-ups und Mittelstand“ fest. Die Frage laute heute, wie kann man am besten zielgerichtet und effizient mit anderen, mit Unternehmen, Start-ups, Wissenschaft und Forschung agieren, um neue Wertschöpfung zu betreiben. In der Unternehmensstrategie müsse man den Konsumenten in den Mittelpunkt zu rücken, in dessen Lebensbereichen Unternehmen als Orchestrator, Realizer oder Enabler aktiv sein könnten. Ein erfolgreiches Beispiel sei Amazon, das als online-Shop für Bücher gestartet und heute in vielfältigen (Lebens-)Bereichen der Konsumenten dominant sei. Auch PWC denke heute in einem hybriden Modell: mit Software, Daten und Daten-Analyse wolle man Services bieten. Innovative Technologien seien entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Innovationen aus Unternehmen heraus seien meist nicht disruptiv, "große Sprünge machen andere", ist er überzeugt, z.B. Start-ups, wie der aktuell schnell entwickelte Corona-Impfstoff zeige. Ein wichtiges Thema sei auch die DNA der Unternehmen. Die bisherige Denke des deutschen Mittelstandes, ein perfektes Produkt zu bauen, das läuft und läuft, stehe im Konflikt mit iterativen Verbesserungen oder etwas grundlegend in Frage zu stellen. Ökosysteme, in denen im Zusammenspiel neue Ansätze entwickelt werden, seien hier ein erfolgversprechendes Modell. Dies zeigt er am Beispiel der IoT-Plattform Adamos. Eine Initiative aus einem Zusammenschluss von Firmen „aus dem Maschinenbau für den Maschinenbau“, an dem sich auch PwC beteiligt habe.
Agiles Handeln im New Normal
Wir befänden uns bereits in einem „New Normal“, in dem viele Themen u.a. durch Corona eine enorme Beschleunigung erfahren hätten, erklärte Prof. Dr. Hubertus C. Tuczek in seinem Vortrag „Neues unternehmerisches Denken in einer Welt im Umbruch“. Was exponentielle Entwicklung bedeutet, habe uns Corona vor Augen geführt. Auch die Digitalisierung stehe für exponentielle Wachstumsraten, dies erfordere ein neues unternehmerisches Denken. Entscheidungen eines linearen Denkens seien nicht mehr zielführend in einer Welt mit zunehmender Komplexität, globalen Spannungen in Politik und Wirtschaft, sprunghaften Veränderungen, permanentem Informationsaustausch, Iterationen und Feedback-Schleifen. Prof. Dr. Tuczek sprach sich für ein Komplexitätsmanagement aus. Nötig sei eine Führungsstruktur der Selbstorganisation, die Agilität, Anpassungsfähigkeit und auf Sinn gerichtete Aktivitäten ermöglicht. Für die Digitalisierung sei ein Konzept notwendig, Krisenfestigkeit durch Resilienz, der Robustheit eines Geschäftsmodells verbunden mit dem Mut vorwärts zu marschieren und der Offenheit für Innovationen, seien wichtige Aspekte. „Wenn die Innovationskraft z.B. aus der aktuellen Impfstoffentwicklung in einem späteren New Normal bleibt, sollte uns nicht bange sein“, ist Prof. Dr. Tuczek überzeugt. Er ruft die Teilnehmer/innen auf, in Start-ups und neue Ideen zu investieren. Auch er spricht sich für die Zusammenarbeit in Ökosystemen aus, wie es z.B. Business Ecosystems praktizieren. Es sei eine ganz andere Geschwindigkeit möglich, wenn nicht auf hierarchische Strukturen sondern auf Partizipation, Selbstorganisation und Vertrauen gesetzt werde.
Mit Strategie und Unternehmenskultur zum erfolgreichen Start-up
Wie Start-ups zu erfolgreichen Unternehmen geführt werden können, darüber berichtete Josef Brunner, CEO relayr, aus seinem Erfahrungsschatz als erfolgreicher Gründer. „Erfolgreiches Entrepreneurship im digitalen Zeitalter“ lautete das Thema seines Vortrages, in dem er zuerst die Bedeutung eines strategischen Ziels und der richtigen Idee betonte. Es müsse ein relevantes Problem adressiert werden, das skaliert und dann monetarisiert werden könne. Es sei hilfreich, Marktransformationen zu berücksichtigen und Lösungen für ineffiziente Prozesse zu suchen. „Nicht nur überlegen, was ich mit den eigenen Maschinen machen kann, sondern auf Komplementärmärkte zu schauen“, sei der richtige Weg. Als Industrie 4.0 in Deutschland toddiskutiert worden sei, sei das Unternehmen relayr 2013 gegründet und das Start-up später für 300 Millionen Dollar verkauft worden. Das Erfolgsmodell sei gewesen, nicht nur IoT-Hardware, sondern risikofreies industrial IoT anzubieten, bei der eine Versicherung in Anspruch genommen werden kann, falls sich der versprochene Kundennutzen nicht einstellt. Was zählt, sei, wie schnell der dem Kunden zugesagte Mehrwert tatsächlich realisiert werde. Eine wichtige Rolle spiele natürlich auch die Gründer-Persönlichkeit, die sich nicht scheuen dürfe auch in stürmischen Zeiten – die kämmen bei jeder Gründung - das Meer zu besegeln. Gründer sollten etwas Bleibendes schaffen wollen und dabei das strategische Ziel immer im Auge behalten. Ratgeber zur richtigen Zeit hätten ihm auf seinem Weg wertvolle Unterstützung gegeben, dies auch als Sparringspartner oder Business-Angel. Das wichtigste Asset im Unternehmen sei aber die Kultur, dies auch beim schwierigen Schritt der Skalierung. Schaffe man keine bewusste Unternehmenskultur, entstehe ein Wildwuchs. „Kultur siegt“ ist er überzeugt. Der Gründer müsse die Werte vorleben, sie müssten zu ihm passen und auch bei der Auswahl von Mitarbeitern sei Kultur das erste Kriterium für „hiring und firing“.
Workshops erarbeiten Weg für erfolgreiches unternehmerisches Denken
Obwohl das Landshut Leadership-Forum erstmals online abgehalten wurde, spielte Interaktion eine wichtige Rolle. Dies in Round-Table-Diskussionen sowie in sechs Workshops, in denen viele Themen der Vorträge wieder aufgegriffen wurden. Geleitet wurden diese von Experten, die zusammen mit Studierenden des von Prof. Dr. Tuczek geleiteten Moduls „Führungskompetenzen“, Beiträge für das sechste im September bei Haufe erschienene Buch aus der Reihe Landshut-Leadership mit dem Titel „Neues unternehmerisches Denken“ erstellt haben. Bei der Präsentation der erarbeiteten Thesen zum „new normal“ wurde noch einmal betont, dass es für neue Geschäftsmodelle neben offenem und kreativem Denken ein vielfältiges Ökosystem brauche, in dem Innovationen nicht mehr nur auf ein Produkt beschränkt werden. Die Organisationsstruktur müsse schnelle Entscheidungen ermöglichen und der Kunde im Mittelpunkt stehen. Auch die Bedeutung der Gründerpersönlichkeit, der Vision und der Strategie eines Start-ups wurde hervorgehoben. Der Leader eines Unternehmens müsse als Kraftquelle dienen und Orientierung bieten. Cloudlösungen böten viel Agilität und könnten schnell umgesetzt werden. IT-Sicherheit sei zu erreichen, sie müsse im Kopf beginnen, auch hier sei die Kultur – beginnend bei der Unternehmensführung – ausschlaggebend. Gerade die Kollaboration sei im „new normal“ eine Herausforderung, esv sei aktuell schwierig soziale Verbindungen zu knüpfen oder zu pflegen. Dadurch wird das Entwickeln von Vertrauen unterbrochen. Gerade dies sei aber nötig, um neue Formen der Zusammenarbeit in Ökosystemen zu ermöglichen. Das nächste Landshut Leadership Forum ist für November 2021 geplant, aktuelle Informationen immer unter
www.haw-landshut.de/landshut-leadership.