Wasserstoff verfügt als Energiespeicher oder auch als „saubere“ Energiequelle über ein enormes Potenzial, allerdings ist die Herstellung und Nutzung sehr Energie- und damit kostenintensiv. Doch im Sinne einer nachhaltigen Energieversorgung und aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet, führe kein Weg an diesem nahezu unbegrenzt verfügbaren Element vorbei. So lautet ein Fazit von Dr.-Ing. Uwe Behmel in seinem Vortrag „Nachhaltige Energieversorgung – Chancen und Perspektiven für Wasserstoff“, der den Auftakt der Landshuter Energiegespräche dieses Wintersemesters an der Hochschule Landshut darstellte. Die Veranstaltung wurde am 19. Oktober 2020 online durchgeführt. Auch in der Politik habe man das hohe Potenzial des Wasserstoffs erkannt, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Pörnbacher den 100 Teilnehmern/innen in seiner Begrüßung erklärte. An der vom Freistaat Bayern initiierten Wasserstoffstrategie, die innovative Technologien schnell in Anwendung bringen soll, will sich auch der Landkreis Landshut gemeinsam mit den Landkreisen Ebersberg und München und den dortigen Verkehrsbetrieben, Energieversorgern, Industrie, Gewerbe und Handwerk beteiligen. Dabei soll ein geschlossener Kreislauf installiert werden, der aus grüner Wasserstofferzeugung, Wasserstoffverteilung und Wasserstoffnutzung in emissionsfreien Wasserstofffahrzeugflotten besteht. Die Hochschule Landshut unterstützt dies bisher im Rahmen von studentischen Abschlussarbeiten, stehe aber in intensivem Austausch darüber, wie man sich hier verstärkt einbringen könne. Er betonte ebenso wie Vizepräsident Prof. Dr. Markus Jautze, der die Teilnehmer im Namen des Freundeskreises Maschinenbau – ebenso wie die Solarfreunde Moosburg Partner der Veranstaltungsreihe - das große Potenzial von Wasserstoff. Er verdeutlichte das mit einem Vergleich, den er kürzlich gelesen habe: Ein Kilo Wasserstoff sei ausreichend, um 17 Stunden die Haare zu föhnen oder 2.300 Tassen Kaffee zu erhitzen.
Grüner Wasserstoff als nachhaltige Energiequelle und –speicher
Wasserstoff sei das häufigste chemische Element im Universum, sei Bestandteil des Wassers und beinahe aller organischen Verbindungen, wie Dr. Behmel, Mitarbeiter an der Fakultät Maschinenbau der Hochschule Landshut, am Anfang seines Vortrages erläuterte. Der nahezu unbeschränkt verfügbare Wasserstoff birgt als umweltfreundliche Speichermöglichkeit für Strom aber auch durch die Nutzung der Energie in Motoren oder in Brennstoffzellen unter Freisetzung von Wasser ein enormes Potenzial. Da Wasserstoff auf der Erde gewöhnlich aber nur in gebundener Weise vorkomme, müsse das Element bisher immer anderen Molekülen „entrissen“ werden, um die technische einfachere Nutzung als Gas zu ermöglichen. Dies bedeute jedoch einen hohen Energieaufwand. Er verglich verschiedene Methoden, um Wasserstoff zu gewinnen. Das Umwandeln von anderen Energieträgern in Wasserstoff sei sehr energieaufwändig, dabei gehe, je nach Nutzung als Speicher, Brenngas oder synthetischer Kraftstoff, z.T. mehr als die Hälfte der Energie verloren. Zur Wasserelektrolyse gäbe es verschiedene etablierte Verfahren, hier verspreche die sog. AEM Elektrolyse, die über Anionenaustauschmembranen funktioniere, große Vorteile, man müsse aber erst abwarten, wie sich diese Methode längerfristig bewähre. Kurzfristig verspreche die Elektrolyse von Wasser, bei dem nur Sauerstoff als Nebenprodukt entstehe, den größten nachhaltigen Erfolg. Wird dazu nur Strom aus regenerativen Quellen eingesetzt, könne man von „grünem“ Wasserstoff sprechen. Derzeit werde Wasserstoff etwa zur Hälfte aus Erdgas gewonnen, bei der sog. Dampfreformierung falle allerdings das klimaschädliche CO2 an. Nutzen müsse man aber zur Gewinnung durch Elektrolyse die oft im Überschuss zur Verfügung stehenden Erneuerbaren Energien (EE). Um die Netzspannung gleichmäßig halten zu können, müssen zeitweise EE-Anlagen abgeregelt oder Strom exportiert werden --Deutschland sei mit 36 Terrawattstunden Strom-Exportweltmeister. Dieser werde in der Regel zu höheren Gestehungskosten produziert als er an der Börse gekauft werden könne, volkswirtschaftlich also ein Verlust. Der zu viel vorhandene Strom könnte aber auch zwischengespeichert werden, dies u.a. über die Umwandlung in Wasserstoff und daraus entstehende Produkte.
Wasserstofftechnik einsetzbar – Rahmenbedingungen schaffen
Behmel zeigte einige Beispielprojekte, in denen Wasserstoff bereits genutzt wird, dies von der Methanisierung und der Verwertung von mit Windenergie gewonnenem Wasserstoff in Verbrennungsmotoren bei den Stadtwerken Haßfurt, über die Vision eines autarken Dorfes mit Hochtemperaturspeicherung und Wasserstoffgewinnung bis zur Produktion von grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie mit Abwärmenutzung und dem Ziel synthetische Kraftstoffe wie Methanol und Kerosin herzustellen. Insgesamt sei die Erzeugung und die Verwertung von Wasserstoff mit seinem hohen Energiebedarf teuer. Dies allerdings auch deshalb, weil gerade bei der Nutzung von fossiler Energien die Schäden der Umwelt durch das schädliche CO2 nicht angemessen eingerechnet würden. Allerdings sei Wasserstoff für Massenmärkte wie dem PKW auch nur bedingt geeignet. Würde man allein den Transportsektor auf Wasserstoff umstellen, wäre die gesamte derzeitige Strommenge Deutschlands dafür nötig. Und auch das für die Elektrolyse notwendige Platin sei in so großen Mengen nicht verfügbar. Für eine Massennutzung seien auch immense Kosten für den Ausbau der Infrastruktur nötig. Doch es sei der richtige Weg, in die saubere Wasserstoff-Energie zu investieren. Dies dürfe nicht nur von betriebswirtschaftlichen Erwägungen geleitet werden, hier müssten volkswirtschaftliche Überlegungen und die Frage nach den im Rahmen der Klimaerwärmung entstehenden Folgen und Kosten gesehen werden. Kurzfristig betrachtet sieht Behmel bei synthetischen Brennstoffen für Fernverkehrs-LKWs, beim Ersetzen von Dieselantrieben bei Loks sowie bei der Stromkurz- und -Langzeitspeicherung mit Rückverstromung zur Netzstabilisierung erfolgversprechende Aktivitätsfelder. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse zur Prozessregelung, Industrialisierung, Kritikalität von Rohstoffen und Kostenoptimierungen könne man für mittelfristigere Transformationen bei Mobilität und Herstellung von synthetischen Kraftstoffen nutzen. „Wir können es uns nicht leisten, nicht in die Wasserstofftechnik zu investieren,“ ist Behmel überzeugt. Dies habe auch die Politik erkannt, sowohl der Bund als auch das Land Bayern fördern diese Technologie. Allerdings plädiert er für einen „Markthochlauf“ der entsprechenden Technologien. Notwendig seien dafür aber klare regulatorische Rahmenbedingungen, um Investitionssicherheit zu gewährleisten. Der zentrale Hebel zur Senkung der Wasserstoff-Entstehungskosten liege in der Befreiung des Strombezugs von Abgaben, Umlagen oder Steuern sowie andererseits in einer umweltgerechteren Beteiligung von Nutzern fossiler Energieträger an den Folgekosten. Die Teilnehmer/innen nutzten in der anschließenden Diskussion, moderiert von Prof. Dr. Jautze, lebhaft die Gelegenheit, Fragen rund um das Thema Wasserstoff an den Referenten zu stellen. In der nächsten Veranstaltung der Landshuter Energiegespräche wird am Montag, 23. November 2020, 18.30 Uhr, in einer online-Podiumsdiskussion das Thema „Zwischenbilanz der Energiewende – muss wieder über Kernenergie nachgedacht werden?“ diskutiert werden. Weitere Informationen und Anmeldung unter
www.haw-landshut.de/la-energiegesprache.(pp)