Vizepräsident Prof. Dr. Holger Timinger begrüßte die rund 70 online zugeschalteten Teilnehmer/innen und betonte die Bedeutung des Themas Projektmanagement auch für die Lehre: es sei an der Hochschule in nahezu allen Studiengängen verortet, zusätzlich befasse sich der Studiengang MBA Systems Project Management intensiv damit. In der Forschung sei das Thema ebenfalls sehr präsent, so ist das Institute for Data and Prozess Science (IDP) eines der führenden Forschungsinstitute im Bereich Projektmanagement in Deutschland und international bestens vernetzt.
Tailoring der passenden PM-Methoden
Eine der wichtigsten Aufgaben von Projekt Management Offices (PMO) ist die Wahl von geeigneten Vorgehensweisen, die Auswahl und das „Tailoring“ des passenden Projektmanagements (PM), wie Prof. Dr. Holger Timinger im ersten Vortrag des Abends erklärte. Nur nach der Analyse des Projektes inklusive des Projektumfelds und der Entwicklung eines so genannten Project Designs - unter Einbeziehung von Unternehmenszielen, Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren aber auch der Fähigkeiten und Interessen der Projektbeteiligten - könne man über den Einsatz verschiedener Projektmanagement-Methoden nachdenken. Es stehe ein ganzes Bündel von PM-Methoden zur Verfügung, von traditionellen über hybriden bis zu agilen Vorgehensweisen. Dabei mache es durchaus Sinn, bei gut planbaren Aufgaben traditionelle PM-Methoden mit detaillierter Planung einzusetzen. Doch auch beim Einsatz von agilen Methoden sei es wichtig, das Ziel im Auge zu behalten: Agilität sei nicht mit Chaos gleichzusetzen. Es werde hier sehr wohl geplant, ausgeführt und geprüft, ob das Ziel erreicht wird. Das Denken in dieser Iterative Vorgehensweise müsse man sich allerdings erst aneignen und angewöhnen.
Im IDP entwickeltes Baukasten-System bietet Hilfestellung
Eine wertvolle Unterstützung beim Tailoring der richtigen PM-Vorgehenseise bietet das im IDP entwickelte Baukastensystem „FELICS FramEwork for the construction and TaiLorIng of the projeCt dEsign. Strukturelle Bausteine wie Phasen (Planung, Implementierung…), Meilensteine und Rollen werden ebenso berücksichtigt wie funktionale (von der ersten Visualisierung über Methoden der Zusammenarbeit bis zur Erfolgsmessung und der Retrospektive) und prozessuale Bausteine (z.B. Project Canvas, Software-Werkzeuge und Modellierung des Prozessmanagements). Als Erfolgsfaktoren von Projekten nennt Prof. Dr. Timinger u.a. die Managementunterstützung, einen geeigneten und richtig angewandten Methodeneinsatz, die Qualifizierung von Mitarbeitern/innen und die Organisationsstruktur im Unternehmen. Die Auswahl von passenden Vorgehensmodellen oder „Kochrezepten“ des Projektmanagements sei von großer Bedeutung. Dazu sei eine ehrliche Bestandsaufnahme mit Berücksichtigung aller Stakeholder nötig, die den tatsächlichen Ist-Stand und kein Wunschdenken abbilde. Unternehmensspezifische Besonderheiten wie die Unternehmenskultur oder auch die Sichtweise der Mitarbeiter/innen und ihr Qualifizierungsbedarf, müssten dabei berücksichtigt werden. „Lessons Learned“ früherer Projekte müssten mit einfließen, Neues probiert, und Fehler ausgemerzt werden. Hierzu sei ein Projektcockpit wichtig, um das Ziel eines effektiven PMs nicht aus den Augen zu lassen, dies sei Aufgabe des PM-Offices.
Langer Weg zu neuen PM-Strukturen
Dominik Hiebl bestätigte aus Sicht des praxiserfahrenen Projektmanagers die Ausführungen von Prof. Dr. Timinger, und berichtete über seine Erfahrungen, ein agiles Projektmanagement und ein übergeordnetes Projekt Management Office in einem Bereich der Siemens AG einzuführen. Seit 2013 habe man damit begonnen, und beschäftigte sich intensiv mit Themen wie Lean Management oder agiles Projektmanagement. Das primäre Ziel bei der Suche nach dem optimalen Projektmanagement habe immer gelautet, die Time to Market-Phase zu verkürzen. Es habe jedoch lange gebraucht, Arbeitsweisen und gewohnte Muster zu verändern. „Hat man Aufgaben über lange Jahre mit hohem Detailgrad geplant und durchgeführt, erzieht man Mitarbeiter dazu, sich dahinter zu verstecken“, erläutert Hiebl, Eigenverantwortung und Agilität rücken in den Hintergrund. Man habe zwar die Mitarbeiter/innen fokussiert, dabei aber softe Themen wie die Förderung der Selbstorganisation unterschätzt. Die Bereitschaft von Funktionsträgern wie Product-Ownern oder Scrum-Master, in Verantwortung gehen zu wollen, müsse aber ebenso vorhanden sein wie die Bereitschaft von Führungskräften loszulassen.
Agilität bedeute aber nicht, dass jeder machen kann, was er will. „Selbstorganisation braucht Führung und Strategieentwicklung“ ist er überzeugt, dies sei ein zentraler Hebel in Richtung Agilität. Um Teams autonom stellen zu können müssten Rahmen und Leitplanken vorgegeben und Ziele klar definiert werden. Feedback aber auch das Beobachten des Systems sei enorm wichtig, da oft keine harten KPIs betrachtet werden können.
Ein Hemmschuh in Unternehmen sei oft die zu stark auf einzelne Projekte bezogene Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die eine Kundenorientierung erschwert. Bei der Flussoptimierung stehe für viele Führungskräfte aus klassisch gewachsener Struktur die hundertprozentige Auslastung des einzelnen im Mittelpunkt. Doch nur eine projektübergreifende Flussoptimierung könne die Effizienz nochmals steigern. Dies führe optimaler Weise auch zu einer Organisationsentwicklung, die nicht mehr definierte Charts, sondern die Wertschöpfung mit den Menschen in den Mittelpunkt stelle. Ein agiles Multiprojektmanagement sei dabei eine ganzheitliche Aufgabe von grundlegendes Bedeutung. Man müsse ein Umfeld schaffen, „um im besser werden der Beste zu sein“.