Additive Fertigung bietet enorme Möglichkeiten, auch in der Serienproduktion. Allerdings nur da, wo die Vorteile des 3D-Druckes greifen, dies ist vor allem bei individualisierten Produkten oder auch bei Bauteilen, die mit konventionellen Herstellungsmethoden wie Drehen oder Fräsen nicht gefertigt werden können. Jedoch besonders die Reproduzierbarkeit mit hohem Qualitätsanspruch in der Serienfertigung bedeutet eine große Herausforderung an die additiven Fertigungsmethoden, wie das 5. Praxisforum 3D-Druck am 6. November 2018 an der Hochschule Landshut verdeutlichte. Denn „similar is not good enough“ wie es Herr Jürgen Schmidt von der Materialise GmbH auf den Punkt brachte. Die Veranstaltungsreihe unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Norbert Babel (Hochschule Landshut) hat sich zum Ziel gesetzt, aus Sicht von Wissenschaft und Wirtschaft über neueste Trends und Entwicklungen in dem innovativen Themenfeld 3D-Drucktechnologie zu informieren. Seit dem 1. Praxisforum im Jahre 2015, das sich im allgemeinen mit den Anwendungen und Potenzialen des 3D-Drucks befasste, hat sich die Technologie stark weiterentwickelt, wie Vizepräsident Prof. Dr. Holger Timinger bei der Begrüßung von mehr als 60 Teilnehmer erklärte.
Unikate in Serie zu drucken erfordert enormes Wissen und Know-how
Die Additive Fertigung wurde anfangs und auch heute noch häufig im Prototypenbau oder für Produkte eingesetzt, bei denen geringfügige Formabweichungen oder Festigkeitsanforderungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. In seiner Themeneinführung stellte Prof. Dr. Norbert Babel einige Beispiele für heute additiv in Serie gefertigte Produkte vor: von individuell angepassten Turnschuhen und Einlegesohlen über Brillenfassungen bis hin zu vom Kunden designten Handyschalen oder Blinkerabdeckungen von Autos. Der besondere Vorteil der Additiven Fertigung liegt neben den konstruktiven Designfreiheiten darin, sogenannte „Unikate in Serie“ produzieren zu können. Die Herausforderung in der Serienfertigung besteht allerdings darin, reproduzierbar hohe Qualität mit kleinen Toleranzen zu produzieren. Die Entwicklung der 3D-Druckertechnologie hat zwar in den vergangenen Jahren starke Fortschritte erzielt. Allerdings erfordert es in der Qualitätssicherung noch enorme Anstrengungen: Know-how, tiefgreifendes Wissen über den Fertigungsprozess, eine ständige Wartung der Geräte und kompetente, hochqualifizierte Mitarbeiter seien erforderlich, wie Peter Spitzwieser (Formrise GmbH, Töging am Inn) ausführte. Von der Überprüfung des eingesetzten Materials über die Konstruktion und Anpassung der Daten an den 3D-Druck, von der Fertigung bis hin zur Nacharbeit der gedruckten Teile. So sei alleine der Fertigungsprozess hoch komplex, vom richtigen Aufbau der Schichten, der Positionierung im Bauraum bis hin zu unterschiedlichen Temperaturen im Drucker, die u.a. den Verzug und die Schrumpfung sehr stark beeinflussen. Insgesamt seien beim Kunststoff-3D-Druck per Selektivem Lasersintern (SLS) über 180 Parameter zu beachten, erklärte Jürgen Schmidt (Materialise GmbH, Gilching/München). Das Unternehmen fertigt z.B. individualisierte Brillen, die auf einem Gesichtsscan beruhen oder auch Bohrschablonen für Knieimplantate auf Basis von MRT-Scans. Und gerade im Kunststoffbereich sei viel Dynamik zu beobachten. Wie eine automatisierte Qualitätssicherung aussehen kann, erläuterte Dr-Ing. Simina Fulga-Beising vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) aus Stuttgart in ihrem Vortrag. Dies von optimierten Produktdaten und inline Qualitätskontrollen bis hin zum maschinellen Lernen. Positive Veränderungen von Seiten der Druckerhersteller stellte Herr Wolfgang Maier (HP Deutschland GmbH, Bad Homburg) in Aussicht. Die Multi-Jet Fusion-3D-Drucker des Unternehmens ermöglichen bereits heute schon einen Kunststoff-Druck in 24 Bit-Farbauflösung. Bereits auf der Fachmesse Formnext, die am 13. November 2018 beginnt, würden Neuerungen im Kunststoffbereich, wie z.B. das Drucken von im Bauteil eingeschlossenen Leiterbahnen, sowie eine neue Maschine für den Metalldruck vorgestellt. Auch die Qualitätssicherung wird weiter verbessert werden.
Chancen der Additiven Fertigung nutzen
Jonas Koch von der Rosswag GmbH (Pfinztal) zeigte, wie ein traditioneller Mittelständler vom 3D-Druck profitieren kann. Das Unternehmen mit über hundertjähriger Schmiede-Erfahrung ist vor 4 Jahren erfolgreich in die Produktion von Metallpulver als Grundprodukt des 3D-Metalldrucks eingestiegen und sei mittlerweile eines von drei europäischen Unternehmen, die die Zertifizierung für die Produktion von additiv gefertigten Teilen für die Luftfahrt haben. Im 3D-Druck sei die Auswahl der qualifizierten Materialien noch viel zu gering, gerade im Metallbereich will hier das Unternehmen die Bandbreite erweitern. Zusätzlichen Erfolg verspricht man sich durch den Einsatz von sog. Schmiede-SLM-Hybriden, bei denen auf einem gegossenen Grundköper per Selektivem Laserschmelzen (SLM) ein komplexes Bauteil aufgebaut wird.
Eine Hilfestellung für Unternehmen, die sich verstärkt in der Additiven Fertigung engagieren wollen, stellten Tina Johnscher und Dr. Tobias Zehner (Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg) vor: Gefördert vom Bayerischen Staat wurde eine „Koordinierungsstelle Additive Fertigung n Bayern“ als werkstoff- und brancheübergreifender zentraler Ansprechpartner eingerichtet.
Ein Weiterbildungskonzept, um das additive Denken und das Know-how schon bei Schülern, Auszubildenden oder Studenten aber auch bei Mitarbeitern zu stärken, präsentierte schließlich Daniel Kerlin (fabmaker GmbH, Braunschweig). Das Unternehmen bietet einen selbst entwickelten 3D-Drucker mit Sicherheitskonzept sowie Lehr- und Arbeitsmaterialien. Dies, um für den digitalen Wandel und die Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft sowie Arbeitsleben entsprechende Ausbildungsstrategien zu entwickeln und zu implementieren.
Die nächste Veranstaltung der Reihe Praxisforum 3D-Druck wird sich mit der Additiven Fertigung von Metallen befassen. Aktuelle Infos zur Veranstaltungsreihe unter www.haw-landshut.de/3d-druck.