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3D-Druck-gestützte Hüftoperationen

Landshuter Studentin der Biomedizinischen Technik (BMT) gewinnt für ihre Bachelorarbeit den Innovationspreis der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Krankenhaustechnik (WGKT)

In der Unfallchirurgie & Orthopädie des Krankenhauses Agatharied bei München werden jährlich ca. 3500 Operationen durchgeführt. Dank Edith Gramotke ist die OP-Vorbereitung seit einigen Monaten noch effizienter, was vor allem den Patienten zu Gute kommt. Die Studentin der Biomedizinischen Technik an der Hochschule Landshut entwickelte in ihrer Bachelorarbeit im Labor für Medizintechnik (Betreuerin Prof. Dr. Remmele) einen Workflow-effizienten Prozess für die OP-Planung an patientenindividuellen 3D-Drucken. Dieser umfasst die Optimierung der präoperativen CT-Aufnahme, die Segmentierung von Knochenstrukturen in den Bildern zur Erstellung der 3D-Modelle bis hin zum 3D-Druck. Gramotke beriet das Krankenhaus über optimale CT-Aufnahmeparameter, selektierte ein geeignetes Tool für die Segmentierung und beschleunigte den Segmentierungsablauf durch die geeignete Kombination von Bildverarbeitungsmethoden von anfangs über einer Stunde auf wenige Minuten.

Intensiver Austausch mit Krankenhausmitarbeitenden

Darüber hinaus optimierte sie den 3D-Druck hinsichtlich Qualität und Druckzeit. Dazu führte sie eine Expertenbefragung am Krankenhaus zu verschiedenen Druckvarianten durch und optimierte besonders kritische Druckparameter durch Methoden der statistischen Versuchsplanung. Bei der Auswahl des Druckers und den Drucken wurde sie außerdem unterstützt von Prof. Dr.-Ing. Norbert Babel, der für die Drucke sein Labor für additive Fertigung zur Verfügung stellte. „CT-Bildgebung, Bildverarbeitung, Konstruktion, Projektmanagement, Usability – die Kernthemen der Arbeit kannte ich alle aus dem BMT-Studium, das war die optimale Vorbereitung“, erklärt Gramotke.

Schlussendlich führte sie außerdem eine Schulung mehrerer Ärzte durch, um die Chirurgen mit dem Prozess vertraut zu machen und den Prozess zu evaluieren. Nach nur gut vier Monaten der Zusammenarbeit, also noch vor Ablauf der Bachelorarbeit, wurde bereits die erste Operation anhand eines 3D-gedruckten Modells geplant und erfolgreich durchgeführt. Auffallend war hier die gute Passgenauigkeit der vorgeformten Implantate verbunden mit einer kürzeren Operationsdauer.

Das wachsende und vielseitige Freizeitangebot und Freizeitverhalten im Sommer sowie im Winter führt zu immer mehr Patienten mit komplexen Verletzungen des Knochenbaus. Speziell in der rekonstruktiven Chirurgie im Beckenbereich nach komplexen Acetabulumfrakturen und Beckenringfrakturen müssen Implantate individuell an den Patienten angepasst werden. Die Anpassung geschieht während der OP, was mit längeren Operationszeiten, mit vermehrtem Blutverlust und höherem Infektionsrisiko verbunden ist. Ähnliche Rahmenbedingungen gelten auch für einige gelenkerhaltende Operationen am Knie- und Schultergelenk. Zurzeit werden in der Medizintechnik verschiedenste Verfahren erforscht, um Implantate präoperativ entweder an virtuellen Knochenstrukturen oder mittels 3D-gedruckter Modelle vorab an die Anatomie anzupassen. Eine standardisierte Lösung gibt es allerdings nicht.

Auszeichnung mit Innovationspreis – Novum für Bachelorarbeit

Für ihre Arbeit wurde Edith Gramotke vor kuzrem mit dem Innovationspreis der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Krankenhaustechnik ausgezeichnet. Seit 2015 verleiht der Industrieverband diesen Preis jedes Jahr eine*r Absolvent*in für eine herausragende Abschlussarbeit auf dem Gebiet der Technik für Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen. Prof. Dr. Georg Hohenberg, Vorsitzender der Jury für den Innovationspreis, gratuliert der Bachelorandin und der Hochschule zu der gelungenen Arbeit und betont: „Das ist das erste Mal in der Geschichte des Innovationspreises, dass eine Bachelorarbeit und keine Masterarbeit ausgezeichnet wurde. Frau Gramotke hat eine sehr gute wissenschaftliche Arbeit abgelegt. Vor allem wollen wir aber honorieren, dass sie nicht nur eine innovative Lösung entwickelt hat, sondern, dass hier eine junge Nachwuchsingenieurin die Werkzeuge der Digitalisierung gewinnbringend einsetzt, um diese Lösung auch in kürzester Zeit in die Anwendung zu bringen. Somit profitieren Ärzte und Patienten bereits heute schon davon.“ Das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro geht zu einem Drittel auch an die Hochschule Landshut für die Betreuung der Arbeit. „Wir zeichnen damit auch die exzellente Lehre im Studiengang der Hochschule aus, die dieses Talent hervorgebracht hat“, so Hohenberg.

„Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung“, so Prof. Dr. Stefanie Remmele, die die Arbeit betreut hat. „Den Studiengang gibt es jetzt seit genau zehn Jahren in Landshut. In dieser Zeit haben sich Technologien rasant entwickelt. Auch dank solcher Arbeiten ist unser Netzwerk und das Spektrum unserer Themen in Forschung und Lehre seither ständig gewachsen. Es ist uns sehr wichtig, dass unsere Nachwuchsingenieur*innen im Studium nicht nur mit relevanten Themen in Berührung kommen, sondern auch die Anwendung immer im Fokus haben.“

Neue Methodik spart Operationszeit

Mittlerweile, sechs Monate nach Abgabe ihrer Arbeit, verwendet das Krankenhaus 3D-Drucke zur Implantats-Anpassung in ca. 8-10 Fällen pro Monat. Prof. Dr. Helmut Ersch, Chirurg am Krankenhaus Agatharied berichtet: „Der präoperative Planungsschritt spart uns schätzungsweise ca. 45 Minuten Operationszeit pro OP. Der 3D-Druck stellt auch komplexe Frakturmuster detailgenau dar. Damit können wir im Vorfeld der OP einzelne Operationsschritte am Modell durchführen, z.B. die Implantate anpassen, und so die Operation genau planen“. Die Klinik ist bereits dabei, den Prozess auf andere komplexe Fakturen anzupassen und hat die Hochschule kürzlich nach weiteren jungen Nachwuchstalenten für Praxissemester oder Abschlussarbeiten angefragt.

Fotos: Hochschule Landshut/WGKT

(frei zur Verwendung bei Angabe der Quelle)