Familie hat in Advent und an Weihnachten Hochkonjunktur. Gemeinsame Zeit soll verbracht werden und Geschenke sollen Verbundenheit ausdrücken. Das ist die besondere Zeit, das Fest. Aber wie funktioniert der Alltag in Familien? Was hat sich hier in den letzten Jahren verändert? Was wissen wir vom Innenleben von Familien in ihren unterschiedlichen Formen und Lebenslinien, zwischen dem Alltag mit Kindern und dem mit pflegebedürftigen Alten?
Zunehmende Erwerbstätigkeit von Müttern
Was sich hierzulande deutlich verändert hat ist die zunehmende Erwerbsarbeit von Müttern. Das fordert die Wirtschaft, das will die Politik und es ist für viele Familien oft auch eine finanzielle Notwendigkeit. Was aber passiert mit der Arbeit, die Frauen zurück lassen? Wer kümmert sich um Kinder, Kranke, Alte und die Versorgung im Alltag? Wer kauft die Geschenke? Wie aktiv sind Väter zu Hause? Was sind Unternehmen bereit und in der Lage zu ändern? Wo gibt es Care-Lücken? Welche Besonderheiten zeigen sich im ländlichen Raum? Die zweite Veranstaltung in der Reihe ortswechsel: begegnungen und kontroversen zwischen wissenschaft, politik und praxis im Salzstadel widmete sich diesen Fragen und hatte dazu wieder Expertinnen aus Wissenschaft, Praxis und Politik eingeladen.
Engagement der Väter hinkt nach
Prof. Dr. Maria S. Rerrich von der Hochschule München zeichnete die Veränderungen im Familienleben nach: Die höhere Erwerbsbeteiligung von Müttern, die jedoch nicht von einem vergleichbaren Engagement der Väter in Haushalt, Kindererziehung oder Angehörigenpflege kompensiert würde. Dagegen habe sich ein Netzwerk von Helferinnen um jede Familie gebildet: Allen voran die Oma, die zunehmend auch den mobil gewordenen Familien hinterherreise, etwa wenn Kinder erkrankt sind, Nachbarinnen und Freundinnen, die gegenseitig Fahrdienste übernehmen sowie ein zunehmend größeres Heer an bezahlten Kräften von Putzhilfen, Au-pairs oder Pflegehilfen, die überwiegend aus Osteuropa stammen und in irregulären Arbeitsverhältnissen den gender gab in Familien auffangen und dabei ihre Kinder und Alten in Moldawien, Rumänien oder Polen zurücklassen.
Hilfen aus dem Ausland
Dass die ausländische 24h-Hilfe mittlerweile normal geworden ist, konnte Roswitha Nitzl von der Alzheimergesellschaft Landshut und Pflegedienstleitung im Altenheim St. Jodok bestätigen. Sie berichtete darüber hinaus eindrücklich von der hohen körperlichen und psychischen Belastung von pflegenden Angehörigen dementiell Erkrankter. Die Pflege übernähmen fraglos die Töchter und Schwiegertöchter, denen es dabei an Unterstützung und Beratung fehle.
Ungewöhnliche Wege einzelner Unternehmen
Im Umgang mit Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Unternehmerin Barbara Wohanka geübt. Ihr weltweit aufgestellter Dienstleitungsbetrieb für Übersetzungen mit 220 – überwiegend weiblichen – Beschäftigten geht ungewöhnliche Wege, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Familienverantwortung zu halten. Dafür hat sie auch schon Auszeichnungen erhalten. Mittlerweile ist es ihr unverständlich, wie Firmen noch auf eine 40-Stunden-Anwesenheit pochen können.
Monika Maier, die Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Bodenkirchen, lenkte den Blick auf die Bedeutung von Familienpolitik im ländlichen Raum. Denn auch hier ist Erwerbsarbeit von Müttern selbstverständlich geworden, braucht es Krippen und Kindergärten sowie Angebote für Pflegebedürftige und nimmt die Ressource Ehrenamt ab, wenn Frauen bezahlter Arbeit nachgehen. Um für junge Familien attraktiv zu bleiben braucht es daher neben günstigem Bauland auch familienfreundliche Infrastruktur.
Passgenaue Angebote für Familien sind nicht selbstverständlich
Dass passgenaue Angebote für Familien noch nicht selbstverständlich sind, zeigte auch die Diskussion mit dem Publikum, hier stehen vor allem Kommunen vor großen Herausforderungen. Die Anregung, dass Städte und Gemeinden Anlaufstellen für Information und Beratung bei Unterstützung von Erziehung, Pflege und Alltagsmanagement brauchen, wurde von der Kreisrätin und Ersten Bürgermeisterin Monika Maier aufgegriffen. Zufrieden mit der produktiven Diskussion waren auch die Veranstalterinnen der Reihe: Hochschulfrauenbeauftragte Prof. Dr. Bettina Kühbeck und Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Fakultät Soziale Arbeit, sowie die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Landshut, Margarete Paintner, und der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Landshut, Karin Boerboom.