Das Landshuter Leichtbau-Colloquium an der Hochschule Landshut hat sich mittlerweile zum Branchentreff etabliert. Alle zwei Jahre, heuer zum fünften Mal ausgetragen, konnten die Veranstalter vom Leichtbau Cluster an der Hochschule eine Rekordbeteiligung verzeichnen. „Leichtbau und nachhaltige Mobilität“ lautete das Thema der zweitägigen Veranstaltung. In insgesamt 45 Vorträgen erhielten die rund 270 Teilnehmer aktuelles Wissen und Forschungsergebnisse rund um Leichtbaumaterialien und –technologien. In einer begleitenden Fachausstellung zeigten 23 Aussteller ihr Angebot. Hochschulpräsident Prof. Dr. Erwin Blum betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung des Leichtbaus, diesen weiter voranzubringen sei eine ökonomische und ökologische Verpflichtung. Dabei habe auch der an der Hochschule beheimatete Leichtbau-Cluster eine wichtige Funktion, er sei mit 109 Partnern eine Erfolgsgeschichte und stelle eine wichtige Schnittstelle zu Unternehmen und Forschungseinrichtungen dar. Deshalb habe sich die Hochschulleitung auch entschlossen, den ursprünglich durch Mittel der High Tech Offensive des Freistaates Bayern finanzierten Cluster nun auf eigene Rechnung voranzubringen. Dies gelte natürlich auch für den ebenfalls an der Hochschule beheimateten Cluster Mikrosystemtechnik. Die Initiatoren der Veranstaltung, Prof. Dr. Otto Huber (wissenschaftlicher Leiter des Forschungsschwerpunkts Leichtbau und des Leichtbau Clusters) und Clustermanager Marc Bicker bedankten sich bei Hochschulpräsident Prof. Dr. Erwin Blum, dessen Amtszeit Ende dieses Semesterts ausläuft, für das große Engagement und die stetige Untersützung des Themas Leichtbaus an der Hochschule Landshut. Das Thema „nachhaltige Mobilität“ sei weit gefasst, behandle die Bewegung von Massen allgemein, wie Prof. Dr. Huber in seiner Einführung zum Thema erklärte. Und gerade der Leichtbau spiele hier eine wichtige Rolle. Die Veranstaltung solle eine Plattform bieten, auf der aktuellste Leichtbaulösungen nicht nur gezeigt, sondern auch wissenschaftlich sowie praxisorientiert diskutiert werden könnten.
Besondere Herausforderung Produktionstechnik
Das enorme Potenzial des Leichtbaus wurde in vielen Vorträgen deutlich, aber auch, dass das „leichte Denken“ in verschiedenen Branchen in sehr unterschiedlichem Maße Einzug gehalten hat. Der Bereich Luftfahrt zählte zu den Vorreitern bei der Einführung von Leichtbaumaterialien, die Bedeutung aber auch die Herausforderungen durch den Einsatz von neuen, leichten Materialien sei hier enorm, wie Prof. Dr. Heinz Voggenreiter (Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt DLR, Stuttgart) ausführte. „Der Materialanteil an CFK (Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe) liegt hier bei mittlerweile vierzig Prozent“, wie er erklärte. Dabei gelte es aber noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Dies z.B. bei der Simulation von Crashverhalten oder des sog. Impacts, wenn Gegenstände auf die Außenhaut eines Flugzeuges treffen. Auch seien die bisher angewandten kosten- und zeitaufwändigen Manufaktur-Produktionsabläufe nicht in der Lage, den großen Bedarf an Teilen zu decken. Er vergleicht die CFK-Produktion mit dünnen Tesafilmschichten, die man in vielen Lagen - ohne Falten - übereinander aufbringen müsse. Aktuell entwickle man automatisierte Produktionsverfahren, dies sei allerdings eine riesige Herausforderung. Eine höchst sensible Robotertechnik sei nötig, in der Roboter parallel die Produktion und auch die Materialüberwachung (durch Thermografie, Ultraschall und Computertomografie) durchführen müssten.
Leichtbau-Nachholbedarf in der Nutzfahrzeugtechnik
Dagegen stecke der Leichtbau in der Nutzfahrzeugindustrie noch in den Kinderschuhen, wie Jürgen Nowak (Semcon Stuttgart GmH) erläuterte. Dies, obwohl aufs Jahr gerechnet, ein Gewichtsunterschied von nur 250 KG bei einem Sattelzug Kosten in Höhe von durchschnittlich 5.000 Euro verursache. Trotz der Besonderheit der hohen Massen im Bereich der Nutzfahrzeugtechnik könnten Leichtbaustrategien hier Einzug halten. Dies beginne bei Einsparungen von Materialien, wo eigentlich kein Material nötig sei (Designoptimierung), gehe über die Auslegung der Teile auf ihre tatsächliche Beanspruchung bis hin zur Materialsubstitution, z.B. den Einsatz von hochfesten Stählen, Alu oder auch anderen Materialien. Ein Beispiele sei u.a. eine Radaufhängung in Alu-Leichtbauweise. Vielfältigen Einsatz findet der Leichtbau dagegen mittlerweile in der Automobilindustrie. Allerdings bilden auch hier neue Produktionsverfahren eine Herausforderung. Spritzguss komme hier bereits verstärkt in Einsatz. Kosten und Material sparend seien aber Verfahren, in denen Produkte hergestellt werden können, die beispielsweise Metalle mit Leichtbaumaterialien wie GVK (Glasfaserversärkte Kunststoffe) oder CFK integriert herstellen könnten, wie Dr. Marcus Schuck (Jacob Composite GmbH, Wilhelmsdorf) ausführte. Er stellte einige Praxisbeispiel vor, wie z.B. die bereits laufende Serienproduktion der Rücksitzlehne eines BMW X3, bei dem so über 50 Prozent des Gewichts und viele Montagetätigkeiten eingespart werden können.
Leichtbau neu denken
Dr. Volkmar Wagner (BMW Group, München) stellte das von BMW verfolgte ganzheitliche Bilanzierungskonzept vor. Dies beinhalte von der Energiegewinnung und Rohstoffbezug über die Produktion bis hin zum Recycling den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges. Die Aktivitäten reichen von der Entwicklung kraftstoffsparender und alternativer Fahrzeugkonzepte u?ber ressourcenschonende Produktionsprozesse bis hin zu umweltfreundlichen Recyclingverfahren. Welche Auswirkungen dies auf die Produktion hat, zeigte Dipl.-Ing. Jean-Marc Ségaud (Leichtmetallgießerei, BMW Group, Landshut). Die BMW Group habe in den vergangenen zehn Jahren den Energieverbrauch pro produziertes Fahrzeug um 26 Prozent und den Wasserverbrauch um 47 Prozent gesenkt. Gleichzeitig sank die Emission von Kohlendioxyd in der Produktion um 24 Prozent. In der Landshuter Leichtmetallgießerei sei hinterfragt worden, wie hier sowohl Energie als auch Kosten gespart, Ressourcen effizient eingesetzt und wirtschaftlich nachhaltig produziert werden könnte. So werde z.B. die Abwärme der Schmelzerei über Wärmetauscher abgefangen und für andere Produktionsprozesse zur Verfügung gestellt. Beim Druckgießen habe man durch intelligente Schaltung der Komponenten in der produktionsfreien Zeit den Stromverbrauch um 24 Prozent reduziert. Eine breite Diskussion nahmen auch die Fahrzeugkonzepte der Zukunft ein. Dipl.-Ing. Peter Urban IKA Institut für Kraftfahrzeugtechnik der RWTH Aachen zeigte, dass das Gewicht eines Fahrzeuges eine maßgebliche Größe für den Energieverbrauch darstellt. Er spricht sich gerade für die mit Elektromotor angetriebene Fahrzeuge für die Entwicklung von auf die speziellen Bedürfnisse abgestimmte Fahrzeuge aus, ein sog. "Purpose Design". Bisher seien konventionelle Fahrzeuge auf E-Antrieb umgerüstet worden, dabei seien beispielswies gerade die schweren Batterien meist im Heck eingebaut worden, was eine zusätzliche Versteifung erfordere. Um den Anforderungen der Crashsicherheit aber gerecht zu werden, sollten die Batteriemodule vorrangig im Bodenbereich untergebracht werden. Insgesamt müsse gerade bei E-Autos auf Leichtbau besonderer Wert gelegt werden, da zusätzliche Masse auch eine höhere Batterieleistung erfordere, was wiederum mehr Gewicht und höhere Kosten verursache. Das zukünftige Fahrzeug-Konzept müsse auf Basis des Innenraumbedarfs und der Technik, bei der die Batteriemodule den größten Raum einnehmen, unter Einsatz von Leichtbaumaterialien gewichtsoptimiert erfolgen. Vorgestellt wurden auch Fahrzeugkonzepte wie der im Shell Eco-marathon erfolgreiche Kabinenroller mit einem Verbrauch von weniger als 0.1 Liter pro 100 Kilometer (Hochschule München) und ein faltbarer eChopper aus CFK (MESHINING Engineering Deutschland GmbH, Gaimersheim). Für einen Showeffekt sorgte Segway mit seinen einachsigen vor allem aus Messen bekannten elektrisch getriebenen Fahrzeugen. Dies sei mit 100.000 Fahrzeugen, die bereits im Einsatz seien, das erfolgreichste E-Fahrzeug überhaupt, wie berichtete, der seine Präsentation stehend bzw. rollend auf einem seiner Fahrzeuge hielt. Mittlerweile seien diese Roller mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h auch von der Bundespolizei am Düsseldorfer Flughafen testweise im Einsatz. Daneben wurden im Leichtbau Colloquium vielfältige aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert. Dies zu neuen Materialien wie beispielsweise Schäume, höchstfeste Aluminiumlegierungen oder Magnesiumknetlegierungen, zu Kleb- und Verbundtechniken oder auch zu unterschiedlichen Produktionsverfahren. In drei parallelen Sessions zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten erhielten die Teilnehmer aktuellstes Wissen rund um den Leichtbau und hatten die Gelegenheit wertvolle Kontakte zu knüpfen.