Menschen, die eigene Erfahrungen mit Essstörungen haben, erleben oftmals Stigmatisierung, das zeigen vielfältige Forschungsbefunde. Kaum untersucht war bislang jedoch, inwiefern sich dies in der Sprache widerspiegelt. Diese Forschungslücke schließen Cäcilia Hasenöhrl, Isabell Pleynert und Lena Wiegrebe mit ihrer Abschlussarbeit im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit, welche von Prof. Eva Wunderer betreut wurde, ein Stück weit.
In 17 Interviews befragten sie Fachkräfte sowie Frauen mit einer Essstörung zu sprachlich vermittelter Stigmatisierung. Die Studie wurde von der Zeitschrift „Soziale Arbeit“ als Originalarbeit im Peer-review-Verfahren angenommen und ist in der Ausgabe vom Oktober erschienen. Die Befragten schildern, dass Essstörungen nicht ernstgenommen und bagatellisiert werden sowie, dass sie im Zusammenhang mit Ihrem Körpergewicht Stigmatisierung erleben („Ja, Sie müssen abnehmen, Sie sind viel zu fett, dann verschwinden die Probleme auch“). Auch eine Gleichsetzung der Person mit der Erkrankung oder einzelnen Merkmalen („die Essgestörte“, „die Dicke“) beschreiben die Befragten. Außerdem sind sie immer wieder mit abwertenden Begrifflichkeiten konfrontiert.
Die Autorinnen geben auf Basis der Interviews zudem Hinweise für die Praxis, wie sprachlicher Stigmatisierung entgegengewirkt werden kann. So sollte mittels einer sogenannten Externalisierung die Person von ihrem Problem getrennt werden (z.B. die „Person mit einer Essstörung“ statt „die Essgestörte“). Zudem können Fachkräfte sprachliche Formulierungen und Stigmatisierungserfahrungen mit Personen mit Essstörungen gemeinsam thematisieren.
Publikation: Hasenöhrl, Cäcilia: Pleynert, Isabell; Wiegrebe, Lena; Wunderer, Eva (2022): Stigmatisierung durch Sprache bei Essstörungs-Erfahrenen. "So Bulimie, ok kotzen, Anorexie, nix essen. Binge-Eating sind die Fettschweine". In: Soziale Arbeit (Oktober 2022), S. 369–375. DOI: