Das Beraternetzwerk
JOINVENTURE für den Leichtbau mit Schwerpunkt Füge- bzw. Schweißtechnik veranstaltete auch im Jahr 2024 zusammen mit dem
Leichtbau-Cluster der Hochschule Landshut den alle zwei Jahre stattfindenden Leichtbauworkshop. Die mittlerweile 9. Veranstaltung der Reihe stand unter dem Motto „Schweißtechnik im Leichtbau“. Sie bot ein breites Themenspektrum: Vom Einsatz von IT bzw. KI und Cyber Security im Mittelstand über Cobot-Systeme und neuen Entwicklungen bei Schweißsystemen über Aluminiumschweißzusätze, dünnblechiges Spannen bis hin zum metallischen 3D-Druck und dessen Simulation sowie die Bedeutung von Werkstoffdaten. Die Veranstaltung fand am 26. Januar 2024 im Schloss Hohenkammer bei München statt. Die Digitalisierung schaffe beim Thema Schweißen und Metallverarbeitung neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen, wie Veranstaltungsinitiator Stefan Allmeier (JOINVENTURE GmbH & Co. KG) in seiner Begrüßung betonte. Deshalb habe man beim diesjährigen Programm mit insgesamt 10 Vorträgen neben den weiteren vielen Themen auch Cyber Security, KI und Cobot-Systeme als Schwerpunkt verankert.Digitalisierung und KI schafft Chancen – aber Vorsicht ist geboten
Mit Machine Learning die Qualität von Schweißnähten erkennen und Parameter verändern, über KI Emails wie Bewerberabsage automatisch schreiben, einen Bot Fragen beantworten lassen oder die Erkennung von Hautkrebs: Digitalisierung und KI schafft insbesondere für den Mittelstand neue Möglichkeiten – aber auch neue Risiken, besonders im Bereich der Cyber-Security. Dies thematisierte Florian Laumer (Passion4IT GmbH) in seinem Eröffnungsvortrag. Die Qualität der Angriffe auf die IT – und damit Erpressung, Spionage, Datenklau und Verschlüsselung von Daten – nehmen stark zu. Anstelle von leicht durchschaubaren Mails stehe mittlerweile ein Social Engineer mit Unterstützung von KI, die auch Daten aus öffentlichen Profilen verwendet, hinter den Attacken. Die Folgen reichen von der Beeinträchtigung von Lieferketten über den Produktionsstillstand bis zur telefonischen Anweisung mit der Stimme des Vorstandes. Auch wenn die Hauptpforte über IT-Security gut abgesichert sei, reiche der Fehler eines Anwenders – ähnlich wie bei einer fehlerhaften Schweißnaht – um eine Schwachstelle nutzen zu können. Florian Laumer ruft dazu auf sichere Passwörter bzw. einen Passwortmanager zu verwenden und sehr vorsichtig zu sein, wenn man Informationen preisgibt. Beim Trainieren von Machine Learning seien viele Daten bzw. Fotos notwendig, z.B. um Fehler bei einer Schweißnaht zu erkennen. Auch hier rät er zur Aufmerksamkeit: Daten müssten richtig interpretiert werden. So sei beispielsweise ein Husky als Wolf identifiziert worden, weil im Hintergrund bei allen Fotos Schnee zu sehen gewesen sei. Fehlerkultur sei hier ein wichtiger Punkt. Man könne aus Fehlern und den entsprechenden Trainingsdaten viel lernen. Für ihn bietet KI enorme Chancen, wenn man sie verstehe, die richtigen Anwendungsfälle finde und sie so zur Optimierung im Unternehmen beitrage.
Cobots in der Produktion
Mit Neuerungen in der Schweißtechnik mit Cobot-Systemen befassten sich zwei weitere Vorträge. Marco Köhler (Lorch Schweißtechnik GmbH) betonte, dass die Automatisierung beim Schweißen schon länger funktioniere. Gerade sei das Thema kollaborative Roboter, so genannte Cobot-Systeme, sehr gefragt. Dabei arbeiten Mensch und Roboter ohne Einhausung und Sicherheitszaun in direkter Interaktion zusammen. Für den Mittelstand und bei Kleinserien sieht er hier Vorteile, denn die Systeme sind auch bei dem Fachkräftemangel an qualifizierten Schweißern hilfreich. Mit den Cobots seien auch kontrollierte, nachvollziehbare Abläufe und eine messbare Qualität möglich. Der Prozess werde stabiler und könne getrackt werden. Dabei müsse die Bedienung einfach und schnell lernbar sein. Die Firma Lorch habe mit seiner Cobotronic Software eine eigene Lösung mit neuen Funktionalitäten entwickelt: Gebe man z.B. einen ungefähren Startpunkt vor, finde der Cobot über eine Nahtsuche und Verfolgung mit Laserlinien-Hardware die zu bearbeitende Schweißnaht automatisch. Die Programmierung erfolge durch bewegen des Armes. Der Referenzpunkt oder Wegpunkte seien individuell anpassbar. Über das SeemTracking sei eine Nachverfolgung der Schweißnahten möglich. Aktuell habe man einen Cobot auf einer linearen Achse montiert und so einen größeren Bauraum geschaffen, in dem mehrere Bauteile nacheinander geschweißt werden können. Grundlegend für den erfolgreichen Einsatz eines Cobots sei es, ihn in bestehende Prozesse mit manuellem Schweißen und Industrierobotern einzubinden. Dimitrij Feller stellte die aktuellen Entwicklungen von Cobots bei der EWM GmbH vor. Er betonte, dass beim Einsatz von Cobots auch die Rahmenbedingungen, die Gefahren für den menschlichen Mitarbeiter am gesamten Arbeitsplatz (beim Schweißen besonders Drahtende und Elektrode, hohe Temperaturen oder auch Rauchemissionen), betrachtet werden müssen. Ein Cobot sei langsamer als ein Roboter, könne aktuell bis zu 30 kg Traglast handeln. Die Steuerung des Cobots sei leicht erlernbar und müssen die Komponenten Stromquelle, Schnittstelle, Drahtvorschub, Cobot und Roboterbrenner umfassen. Die hausinterne flexible XQBOT-Lösung sei eine kostengünstige Variante, um in die Modernisierung einzusteigen: Verschiedene Varianten seien wählbar, z.B. Drahtvorschub integriert, modular oder doppelt (einmal für manuelles Schweißen, einmal für den Cobot). Zusätzlich biete man auch Zellen oder Cobots im Industriestandard und höherer Output-Rate. Herausforderungen für Neueieinsteiger mit Cobots sind u.a. die Präzision in der Vorbereitung und in dem Vorrichtungsbau. Die Motivation müsse lauten, die Produktivität und den Teileausstoß bei höherer Qualität der Nähte zu erhöhen. Es sei allerdings Geduld notwendig. Nicht jede Aufgabe sei für Cobots geeignet, je nach Anwendung ist ein Mix zwischen manueller Bearbeitung und Automatisierung sinnvoll. Über Zusatzsoftware könnten weitere Assistenzfunktionen genutzt werden.
Aktuelle Schweißsysteme und Besonderheiten bei Alu
Die Möglichkeiten aktueller Schweißsysteme erläuterte Mario Hoppe (Fronius Deutschland GmbH) am Beispiel der Schweißanlage iWave Multiprozesss Pro. Sie biete größtmögliche Flexibilität: Es reiche ein Gerät für die Scheißprozesse WIG, MIG/MAG und MMA. Zusätzlich könne die Anlage aufgerüstet werden, sei für Industrie 4.0 bereit und vernetzbar. In einem nächsten Schritt soll die Anlage roboterfähig gemacht werden. Der „WeldCube Navigator“ biete vielfältige Hilfestellungen: So werde der Schweißer Schritt für Schritt durch Aufgaben geführt, die richtige Schweißreihenfolge definiert sowie Parameter sichergestellt und standardisiert. Bei Fehlern an sicherheitsrelevanten Nähten kann aufgrund eines vordefinierten Verhaltens eine automatische Blockierung der Stromquelle erfolgen. Dies durch eine Live Überwachung, die in den Workflow eingebunden werden kann. Eine zentrale Dokumentation der Schweißdaten mit Management-, Statistik- und Analysefunktion sowie ein zentrales User-Management bieten ein kompaktes Paket. Robert Lahnsteiner (MIGAL.CO GmbH) gab Einblicke in die Besonderheiten beim Schweißen von Aluminium und der Verwendung von Aluminium-Schweißdrähten. Das Schweißen von Stahl und Aluminium unterscheide sich deutlich. Bei Stahl schweiße man im kalten Material, durch die hohe Leitfähigkeit von Aluminium verbreitet sich die Wärme schneller, die Parameter müssten damit angepasst werden. Die Schmelztemperatur von Oxiden sei weit über der von Aluminium, Oxide bleiben als Einschlüsse im Metall und schwimmen nicht wie bei Stahl an die Oberfläche. Für unterschiedliche Aluminium-Legierungen müssen unterschiedliche Schweißzusätze verwendet werden, je nachdem, ob optimale mechanische Eigenschaften, Korrosionswiderstand oder Schweißeignung gefordert seien. Für sehr saubere oxidfreie Bleche habe man Schweißdrähte mit mehr Oxid auf der Oberfläche entwickelt, auch Temperur- und Feuchtigkeitsschwankungen könnten Probleme verursachen. Eine Vakuum-Verpackung sei bei den Drähten ebenso hilfreich, wie die Lagerung des Metalls bei konstanten Bedingungen. MIGAL.Co biete auf seiner Homepage einen Taupunktrechner. Dafür habe man für das MIG-Schweißen von Aluminium DVS-Merkblätter erstellt.
Prozesse und Simulation in der Additiven Fertigung
Zwei Vorträge befassten sich mit additiven Fertigungsmethoden. Prozessstabilität beim 3D-Druck von rostfreiem 17-4PH-Stahl per Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) will ein Projekt erreichen, das Prof. Dr. Gerald Wilhelm und Beatrice Mainzer (beide Hochschule München) präsentierten. Um ein homogenes Gefüge erzeugen zu können, sei eine Wärmenachbehandlung, Lösungsglühen und Ausscheidungsglühen bei optimierten Temperaturen erforderlich. Mit der Simulation des WAAM-Verfahrens, das u.a. in der Produktion von Flugzeugkomponenten eingesetzt werde, befasste sich Xiao Fan Zhao (Technische Universität München) in seinem Vortrag. Das Aufbringen der Schichten mit sehr hohen Temperaturen sowie die schnelle Entspannung führe zu starkem Verzug. Um ein langwieriges und kostenintensives iteratives Verfahren vermeiden zu können, solle eine simulationsgestützte Auswahl der Fertigungsparameter und der Vorgehensweise entwickelt werden. Untersucht wurden u.a. die Auswirkungen auf den Verzug durch Schichtdicke, Richtung des Auftrags, Scheißparameter sowie die Prozess- und Drahtgeschwindigkeit. Durch die Simulation konnten optimierte Auftragsstrategien und eine Schweißsequenz Optimierung durchgeführt werden.
Einblicke in Werkstoffdatenbank und induktives Spannen.
Die Bedeutung von qualitativ hochwertigen Werkstoffdaten für die Produktion betonte Daniel Trost (Total Materia). Das Unternehmen sammelt und veröffentlicht seit 25 Daten aus verschiedenen Quellen und habe mittlerweile 700.000 Werkstoffe in der Datenbank (www.totalmteria.com) aufgenommen. Die Werkstoffdaten könnten in firmeneigene Datenbanken integriert und auch in Simulationstools eingebunden werden. Darüber hinaus biete mit einem Predictor und einem Decision Making Tool zusätzliche Funktionen. Auch seien Infos über die Compliance und Nachhaltigkeit von Werkstoffen verfügbar. Wie Verzug in Blechen durch Spannen mit Tiefeninduktion behoben werden kann, erläuterte Thomas Vauderwange von der VauQuadrat GmbH im abschließenden Vortrag. Verzug bzw. Beulen sei ein Thema der Eigenspannung, das beim Schweißen auftrete. Klopfe man auf Blech, können man eine zu geringe Spannung - wie bei einer Trommel – durch einen tiefen Ton – erkennen. Durch Einbringen von Hitze an Schrumpfpunkten entstehe Eigenspannung und damit ein gerades Blech. Das Ausbeulen könne durch eine Magnet- oder Vakuum-Platte (evtl. mit einer Gegenplatte) erfolgen, durch Tiefeninduktion, einen eigens entwickelten Vierpunktinduktor, habe man bereits seit 2015 mit Erfolg im Einsatz, der induktive Richtprozess sei mittlerweile als Norm aufgenommen.