Zum Hauptinhalt springen

Was wissen wir über die Rolle von Hebammen im Nationalsozialismus?

Bei einem Besuch des LANDSHUTmuseums informierten sich Studierende des Studiengangs Hebamme primärqualifzierend zum Thema Euthanasie in Landshut und Umgebung während des Dritten Reichs.

Mit einem Runderlass 1939 begann der systematische Massenmord der Nationalsozialisten an hunderttausenden kranken und behinderten Menschen. Dies betraf auch Kinder und Erwachsene in Landshut und Umgebung. Inwieweit waren Hebammen damals an dem Euthanasie-Programm beteiligt? Was wissen wir grundsätzlich über das Handeln von Hebammen in dieser Zeit? Und wie ist die gesellschaftliche Haltung heute gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung? Mit diesen Fragen beschäftigten sich 24 Studierende des Studiengangs Hebamme primärqualifizierend an der Fakultät Interdisziplinäre Studien unter Leitung ihrer Dozentin Kick van Walbeek. Auf Einladung der Ausstellungskuratorin Dr. Doris Danzer besuchten sie die Ausstellung „Landshut im Nationalsozialismus“ im LANDSHUTmuseum und erhielten dort eine sachkundige Führung.

Euthanasie als Schwerpunktthema

Dabei machte Danzer exemplarisch an einigen Stationen der Ausstellung Halt und gab den Studierenden Einblicke in das Leben der jüdischen Familien Hirsch und Ansbacher. Ein Schwerpunkt der Führung lag zudem auf dem Thema „Euthanasie“. Die systematische Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen von 1939 bis 1945 betraf auch 56 Menschen aus Landshut und Umgebung. Vielen von ihren waren erst in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen untergebracht, bevor sie in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht und dort getötet wurde. Auch Hebammen waren an der Meldung von Neugeborenen mit Fehlbildungen beteiligt.

Hier entspann sich eine Diskussion zwischen der Dozentin und den Studierenden, wie in der heutigen Zeit die Pränataldiagnostik die gesellschaftliche Haltung bezüglich des Lebens mit Menschen mit Beeinträchtigung sowie die Arbeit der Hebammen prägt. Eine Studierende meint abschließend: „Die Folgen der Pränataldiagnostik merkt man heute schon im Straßenbild: Wir sehen kaum noch Menschen mit Trisomie 21.“ Van Walbeek fügt hinzu: „Das Thema bringt die Studierenden heute durchaus zum Nachdenken und trägt dazu bei, ihre Rolle als Hebamme stärker zu reflektieren.“

Tragisches Schicksal einer 19-Jährigen in Landshut

Anschließend widmete sich die Führung dem Leben von jungen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus, exemplarisch am Thema „Bildung“ und dem Schicksal der 19-jährigen Anna Scharf. Sie verliebte sich damals – verbotenerweise – in einen französischen Zwangsarbeiter und wurde zur Strafe durch die Landshuter Altstadt getrieben und danach zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. „Dieses individuelle Erleben einer Gleichaltrigen bewegte die Studierenden sehr“, berichtet van Walbeek.

Vortrag über die bayrische Hebammen-Landesvorsitzende Käthe Hartmann

Nach der Führung erhielten die Studierenden abschließend Einblicke in eine aktuell entstehende Bachelorarbeit. Lena Körber, frisch examinierte Hebamme der KSH München, stellte in einem Vortrag ihre Erkenntnisse zum Leben von Käthe Hartmann, Vorsitzende des bayerischen Hebammenlandesverbandes von 1933-1945 und von 1952-1960, vor. Bisher gibt es kaum Forschung zu diesem Thema, so dass alle gespannt auf die ersten Ergebnisse waren, die Körber bis dato in vier verschiedene Archive Bayerns geführt hatte.

Eine Studentin stellte die spannende Frage: „Was wissen wir bereits über das Handeln von Hebammen in dieser Zeit?“ Das Fazit lautet: Noch recht wenig. Van Walbeek ergänzt: „Jetzt, da die Hebammenwissenschaft im Aufbau ist, werden wir zu dieser und manch anderer Forschungsfrage hoffentlich mehr Antworten bekommen.“ Sie bedankte sich zusammen mit den Studierenden herzlich bei den beiden Referentinnen: „Wie haben hier einen wirklich interessanten und aufschlussreichen Vormittag verbracht. Ich kann einen Besuch des LANDSHUTmuseums nur weiterempfehlen.“

Die Ausstellung „Landshut im Nationalsozialismus“ läuft noch bis 09. März 2025, der Eintritt ist frei.

Fotos: Hochschule Landshut / Kick van Walbeek
(Frei zur Verwendung bei Angabe der Quelle)