In der abschließenden Veranstaltung der Reihe Landshuter Energiegespräche im Sommersemester 2023 zeigte Prof. Dr. Florian Siegert (Geschäftsführer 3D RealityMaps GmbH, München) am 26. Juni die vielfältigen Möglichkeiten von Thermografiebefliegungen zur Erkennung von Energieeinsparpotenzialen in Städten. Städte haben im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele 2030 eine besondere Verantwortung und stehen dabei vor komplexen Fragestellungen. Denn für eine intelligente, umweltverträgliche Stadtentwicklung und Verbesserung der Klimabilanz gibt es einen großen Informationsbedarf. Und Thermografiebefliegungen könnten hier eine wertvolle Hilfestellung bieten, wie Vizepräsident Prof. Dr. Marcus Jautze in seiner Begrüßung der rund 40 Teilnehmer/innen betonte. Um dem Klimawandel entgegenwirken zu können, benötigen Städte Daten, wie Prof. Dr. Florian Siegert betonte. Und diese können Thermografiebefliegungen in kürzester Zeit liefern. Durch eine 3D-Erfassung, die anschließende Datenanalyse per KI, das Erstellen eines digitalen Zwillings von Städten und die Simulation von Szenarien könnten gerade Städte beim Ergreifen von Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung unterstützt werden.
Modernste Technik liefert Informationen und Szenarien
Siegert forscht seit Jahren in diesem Bereich. Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt wurde in einer Ausgründung ein sehr leises Ultraleichtbau-Flugzeug entwickelt und mit modernster Kameratechnik und Sensoren ausgestattet. Durch einen elektrischen Antrieb wurden die Vibrationen minimiert und so die Datenqualität verbessert. Der Einsatz von KI, der vor 5 Jahren noch nicht möglich gewesen wäre, biete enorme zusätzliche Möglichkeiten. So entstehe über Objekterkennung und Bildanalyse ein texturiertes 3D-Modell. Ein Oberflächenmodell erlaube die Vermessung von Gebäude- oder auch Baumhöhen. Per Multispektral-Analyse könnten Baumarten, Pflanzenstress oder Schädlingsbefall erkannt und durch Thermalaufnahmen das Stadtklima, Wärmeverluste oder auch die Bodenfeuchte analysiert werden. Per Simulation könne man verschiedene Szenarien durchspielen und so Maßnahmen zur Verbesserung erkennen. Die Technik biete unglaubliches Potenzial, die bis jetzt kaum genutzt werde, ist Prof. Dr. Siegert überzeugt. Dieses zeigte er am Beispiel des Forschungsprojektes TwinCity 3D auf: darin wurde von der Stadt Landsberg am Lech ein virtuelles 3D-Stadtmodell erzeugt. Ein digitaler Zwilling, der Informationen für eine nachhaltige Stadtentwicklung liefert. So können z.B. Regionen mit starker Hitzeentwicklung identifiziert und Gegenmaßnahmen simuliert werden. Thermografie-Aufnahmen hätten beispielsweise gezeigt, dass die Temperatur im Industriegebiet mit 34,6° C deutlich über der in Wohngebieten (23,5° C) liegt. Durch das Pflanzen von Bäumen bzw. die Beschattung von Kreuzungen oder auch Parkplätzen, die Installation von Grünflächen oder auch Dachbegrünungen könne die Temperatur gesenkt werden. Gerade die Vegetation trage viel zur Kühlung einer Stadt bei. Durch die Simulation könne man Planungsszenarien durchspielen und durch eine wiederholte Befliegung kontrollieren, ob umgesetzte Maßnahmen erfolgreich gewesen seien. Eine Thermografiebefliegung im Winter lasse Dachflächen mit Wärmelecks oder auch schlecht isolierte Fenster in Hallen erkennen. Im gesamten Stadtgebiet hätten 14 Prozent des Gebäudebestandes auffällige Wärmeverluste erkennen lassen.
Auch PV-Anlagen und Bäume erfassbar
Durch die KI-basierte Objekterkennung könnten über heutige Algorithmen Gebäude, Straßen, Vegetation usw. erkannt und so sehr viele Informationen gewonnen und genutzt werden. So könne auch der Bestand von PV-Anlagen erfasst und sichtbar gemacht werden. Eine Befliegung in Landsberg habe gezeigt, dass nur 3 Prozent der geeigneten Wohngebäude und 5 Prozent der Industriegebäude für PV-Anlagen genutzt werden. Neben der Stromerzeugung hätten PV-Anlagen einen weiteren positiven Effekt: sie sind kühler als normale Dachflächen, weil sie Wärme in elektrische Energie umwandeln. Auch wurden bei der Befliegung rund 93 Prozent der Bäume erkannt. Das Aufbauen eines Baumkatasters habe bisher 20 Jahre gedauert, mit der jetziger Technik sei dies in 20 Minuten möglich. Der Baumbestand kann in den digitalen Zwilling übernommen werden. In der an den Vortrag anschließenden Diskussion, die von Prof. Dr. Tim Rödiger moderiert wurde, betonte Prof. Dr. Siegert, es sei zuerst wichtig, einen Datenbasissatz zu haben und dann einen digitalen Zwilling aufzubauen, um Simulationen von verschiedene Szenarien machen zu können. Wenn Maßnahmen umgesetzt wurden, könne man mit einem wiederholten Flug erfassen, ob diese erfolgreich waren. Veranstaltet werden die Landshuter Energiegespräche vom Forschungsschwerpunkt Energie, dem Technologiezentrum Energie und dem Institut für Transfer und Zusammenarbeit der Hochschule Landshut, unterstützt werden sie durch die Partner Solarfreunde Moosburg, den Freundeskreis Maschinenbau der Hochschule sowie den Bund der Sebständigen in Bayern (BDS). Aktuelle Informationen zu den Landshuter Energiegesprächen unter
www.haw-landshut.de/la-energiegespraeche.