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Künstliche Intelligenz und GenAI in Unternehmen – jetzt auf der Welle surfen

Das Landshut Leadership Forum 2024 zum Thema „Aufbruch in die Zukunft der Mensch-Maschine Kollaboration“ bot ein Who is Who von Expertinnen und Experten aus dem Bereich KI und Leadership. Einig waren sich die rund 270 Referierenden und Teilnehmenden bei der Veranstaltung an der Hochschule Landshut (21./22. November 2024), dass die Chancen der KI für Effizienzsteigerung oder auch für neue Geschäftsmodelle jetzt genutzt werden müssen, um nicht den Anschluss zu verlieren und den Wirtschaftsstandort sichern zu können.

Mit einer großen Welle verglich Deepa Gautam-Nigge (SAP SE) die genKI.
Mit einer großen Welle verglich Deepa Gautam-Nigge (SAP SE) die genKI.

Künstliche Intelligenz sei nicht nur ein sondern „das“ Zukunftsthema, erklärte Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbacher in seiner Begrüßung. „Mit Chat-GPT wurde die Welt verändert“, ist auch Veranstaltungsinitiator Prof. Dr. Hubertus Tuczek in seiner Keynote überzeugt. Alles, was mit Sprache zu tun hat, scheint automatisierbar und ganz neue Anwendungen werden möglich. Industrie 5.0 könne der Motor der Wirtschaft von morgen werden. Allerdings warnt er davor, in den von KI generierten komplexen Systemen nicht die Kontrolle zu verlieren. Die Antwort auf diese Risiken könne nur das aktive Gestalten der KI sein. In Keynotes und Panels gab eine Vielzahl an namhaften Expertinnen und Experten wertvolle Impulse, wie der Weg in die digitale Transformation unter dem Einsatz von KI erfolgreich beschritten werden kann. Die vielen anschließenden Fragen und Gespräche zeigten die Bereitschaft auf die neue Technologie zu setzen, aber auch die vielen Hemmnisse und offenen Fragen bei der Umsetzung.  

Herausforderung jetzt anpacken – Chancen nutzen

Im ersten Panel ging es gleich um die zentrale Frage der Digitalen Souveränität in Deutschland/EU bei der Künstlichen Intelligenz, moderiert von Prof. Dr. Dagmar Schuller, Hochschule Landshut und CEO audeering. Generative KI (GenAI) sei wie eine große Welle gekommen, man müsse lernen auf dieser zu surfen, wie Deepa Gautam-Nigge, VP Corporate Development SAP SE, erklärte. Die Elemente der KI müssten beherrscht und es müsste überlegt werden, wo man sie für Effizienzgewinn und vieles mehr einsetzen kann. Ein Hindernis in Deutschland sei, dass oft Risikominimierung belohnt werde und nicht das Nutzen von neuen Chancen. Man müsse schneller in die Umsetzung kommen. Auch die Strategie von Aleph Alpha habe sich geändert, man wolle nicht mehr das beste Large Language-Modell (LLM) entwickeln, sondern anwendungsorientierter werden. 

Es müsse jetzt angepackt und auf die neuen Herausforderungen reagiert werden, betonte Vanessa Cann (Managing Director & Data/AI Innovation Lead at Accenture). Generative KI sei viel mehr als Chat-GPT: Machine Learning und Deep Learning seien dadurch nochmals viel stärker in den Fokus der Industrie gerückt. Dabei seien unsere Unternehmen noch stark in der Experimentierphase. Es sei oft sei schwer zu beurteilen, welcher Wert hinter Use Cases und einer Skalierung stecke. Europäische Führungskräfte hätten die transformative Kraft der GenAI aber mittlerweile erkannt. Doch werde in Unternehmen immer noch zu oft in „Silos“ gedacht und zu wenig übergreifend gearbeitet. Auch fehle es bei den Mitarbeitern oft an Kreativität, an der nötigen Ausbildung sowie der Einstellung. Europa habe starke Unternehmen, sei führend in der Forschung und in Prozessen. Wir müssten nun versuchen, „KI-Themen voranzutreiben, um auch Anwendungsweltmeister zu werden“, fordert sie. 

Carsten Kraus (Serial Entrepreneur und Investor) erläutert an einem Beispiel die rasende technologische Entwicklung: Heute seien 11 Milliarden Transistoren auf der Größe eines Fingernagels möglich. Wenn die Entwicklung der Geschwindigkeit von Autos ebenso zugenommen hätte, wäre es möglich, in einer Sekunde um die Welt fahren. Und der Computer könne nun auch Sprache, das Selbsterschließen von Wissen und Kreativität sei ebenso möglich geworden. Wie auch viele weitere Experten sieht er einen Hindernisgrund für die Umsetzung von KI in Europa in der Regulierung, dem europäischen AI-Act, aber auch in der im Vergleich sehr langsamen Vergabe von Patenten. 

Auch sei die Umsetzung des AI-Acts in den Ländern sehr unterschiedlich, wie Laura Hirvi (Public Policy Manager DACH, Meta) ergänzte: Meta setze auf einen Open Source Approach, dadurch könnten Modelle, die auch in Europa und Deutschland verfügbar seien, schneller entwickelt werden. Man habe beispielsweise die KI mit Daten der Nutzer trainiert und dies mit der irischen Datenschutzbeauftragten abgesprochen. Dies sei in andere Ländern nicht übertragbar, im Februar habe man das KI-Training gestoppt. Auch würden neue Produkte wie die Ray-Ban Meta Smartglasses wegen der Regulierung in Europa mit eingeschränkter Funktionalität ausgeliefert. Wichtig sei für Unternehmen eine Sicherheit, wie bestehende Regeln angewendet werden. 

GenAI auch in Kernbereichen der Unternehmen einsetzen

Am Beispiel der Medienbranche zeigte Prof. Dr. Thomas Hess (Direktor Institut für Digitales Management und Neue Medien, Ludwig-Maximilians-Universität München | bidt), dass KI auch die Kernbereiche von Unternehmen verändern kann. Kernprodukte wie die Produktion von Medieninhalten könnten nun durch die Maschine erstellt werden. KI könne einmal arbeitsteilig eingesetzt werden, um die Produktion schneller und effektiver zu machen, aber auch, um Inhalte automatisiert zu erstellen. Sie führt aber auch in anderen Wertschöpfungsstufen, wie Bündelung, Distribution und konsumieren von Inhalten, zu Veränderungen. Dabei sei es im Medienbereich grundlegend, dass die Verantwortung über Inhalte beim Menschen verbleibe. Unternehmen müssen hier Entscheidungen treffen, was aus unternehmerischer Sicht Sinn macht, wie die Arbeitsteilung und auch die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine definiert wird und beispielsweise auch, wie Content-Plattformen mit KI generierten Inhalten umgehen. Auch die Digital- und Medienkompetenz von Redakteuren aber auch des Publikums spielen hier eine große Rolle.

Neben den vielen theoretischen Inputs bot das KI-Interaktionslab ein weiteres Highlight der Veranstaltung. Organisiert von Prof. Dr. Eduard Kromer luden die Hochschule und Partner des Leadership Forums die Teilnehmenden dazu ein, KI-Lösungen selbst praktisch auszuprobieren. Vom Roboterhund Spot, Gestensteuerung von Quadrocoptern, Erkennung von Gefühlen bzw. Stimmungen anhand der Stimme, Objekterkennung in der Produktion über Chatbots und deren Programmierung bis hin zu einem Messinstrument für die AI Literacy und eXtended Realities nahmen die Teilnehmer die Gelegenheit rege wahr, innovative Entwicklungen selbst zu probieren.

Regulierung mit Augenmaß – KI-Strategie als Leadership-Aufgabe

Den Auftakt des zweiten Veranstaltungstages bildete eine Keynote von Ministerialdirektor Dr. Hans Michael Strepp, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales, das die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernommen hatte. Er erklärte, dass Chat-GPT und KI einen „Sputnik-Moment“ geschaffen hätten. Man habe einen neuen spannenden Raum betreten, in dem wir die Dimensionen noch nicht richtig kennen und in dem es Winkel und Ecken gäbe, die zu erkunden seien. Der erste Schritt müsse sein, die KI und ihre Möglichkeiten und Dimensionen verstehen zu lernen. Hierzu habe die Bayerische Staatsregierung mit der High-Tech Agenda u.a. mehr als 130 Professoren-Stellen im Bereich KI geschaffen. Zusätzlich biete das Programm KI-Transfer Plus mit acht KI-Regionalzentren, die an Hochschulen in ganz Bayern angesiedelt sind, Unterstützung, um es Unternehmen zu ermöglichen, eine KI-Strategie und Use-Cases zu entwickeln. 

Bei der enormen Geschwindigkeit der Entwicklung reiche es nicht mehr, zu warten, was passiert, „wer bei KI nicht First Mover ist, wird gar kein Mover mehr“, verdeutlicht er. Dabei spricht er sich für eine Regulierung mit Augenmaß aus. In die Tiefe gehende Regelungen seien eigentlich erst richtig möglich, wenn der Raum so weit erforscht sei, dass wir uns das auch zutrauen können. KI verstehen, einsetzen und regulieren, sieht er als Ziele. Wenn wir zukunftsoffener und weniger auf Risikoabwehr bedacht an das Thema herangehen, sieht er KI als größte Chance für den Wirtschaftsstandort.

Bereits jetzt sei durch KI viel automatisierbar, man müsse sich selbst, das Geschäft und das Modell dahinter in Frage stellen, um KI in die Anwendung zu bekommen, erklärt Heinrich Arnold, Lead Partner Creative Dock, der sich in seiner Keynote mit der AI-obsessed Organisation von Unternehmen befasste. Das Geschäftsmodell verändere sich erheblich, man müsse es anpassen. Wie erfolgreich eine KI-Idee sein wird, sei schwierig einzuschätzen. Es sei Überzeugungsarbeit der Eigentümer bzw. des Managements notwendig, diese müssten Neues durchsetzen und dabei Mitarbeitende mitnehmen. Ein KI-Mindset sei notwendig. Ein Anfang sei, zu analysieren, was an Datenströmen im Unternehmen laufe. Mit automatisierten Tools könne man auch neue Geschäftsfelder, neue Assets entdecken. Sich mit KI Prozessen parallel zur täglichen Arbeit zu beschäftigen, sei allerdings schwer, man müsse sie herausnehmen und behandeln wie Grüne-Wiese-Projekte. In vielen Bereichen, die bisher durch „Herrschaftswissen“ geprägt sind, schaffe KI die Möglichkeit, aus angestammten Bahnen auszubrechen.

Enormes Potenzial in Prozessoptimierung und Innovation

Mit dem Thema KI in Unternehmen befasste sich auch eine eigene Session, moderiert von Dr. Rainer Seßner, CEO Bayern Innovativ GmbH). In Deutschland nutzen nur 8 Prozent der Unternehmen KI so, dass es ihnen Vorteile bringt, erläuterte Prof. Dagmar Schuller (Hochschule Landshut und Gründerin audeering). Zwar gebe es einen Hype um die generative KI, Unternehmen setzen bisher aber meist auf deskriptive KI, die etwa in Chatbots und in die Bereichen Kundencenter oder Akquise zum Einsatz komme. Wir brauchen mehr Souveränität, Innovationskraft, Kreativität und übergreifende Zusammenarbeit, fasst sie zusammen, um mutig mit einer positiven Fehlerkultur das Thema gemeinsam angehen zu können. Notwendig sei dafür allerdings auch eine größere Bereitschaft, Investitionen in diesem Bereich zu tätigen. 

Auch Dr. Thomas Walter (CSO Merkle – dentsu) ist überzeugt, dass wir bei der Nutzung von KI in Unternehmen noch am Anfang stehen: nur 9 Prozent der Unternehmen hätten eine KI-Strategie. Er empfiehlt, erst einmal ein Framework zu entwickeln, um interne Abläufe und Probleme mit KI zu optimieren, hierzu gäbe es bereits viele Softwarelösungen. Er warnt allerdings davor, an allen möglichen Ecken Projekte aufzumachen, ohne eine Strategie oder Idee damit zu verfolgen.

Dass AI eine Revolution im Health-Bereich, eine Entwicklung vom reaktiven zum proaktiven Gesundheitswesen ermöglichen könnte, betonte Dr. Roland Geyer (COO lifespin GmbH). Doch gerade im Medizinbereich mit seinen starken Regulierungen sei die Risikobereitschaft von Investoren begrenzt. Sein Unternehmen hat ein System entwickelt, um Biofluids auf 250 Blutwerte zu analysieren. Wenn diese Daten zu neuronalen Netzen verknüpft werden, könnten Ärzte von Auswertungen sowie optimierten Handlungs- und Therapieempfehlungen profitieren. Diese könnten dann auch nachvollzogen und weiter analysiert werden. Für die Entwicklung der Technologie sei der deutsche Standort bestens geeignet, die Märkte liegen allerdings im Ausland, erklärt Dr. Geyer. Die Anwendung in deutschen Praxen scheitere schon bei der Frage nach der Erstattungsziffer der Krankenkassen.  

Drei parallele Praxissessions gaben Einblicke in detaillierte Fallbeispiele zu vielen Themen rund um den Einsatz von KI in Unternehmen. Studien in verschiedenen Bereichen lassen hier eine Effizienzsteigerung von 66 Prozent durch GenAI erwarten, wie Prof. Dr. Martina Mitterhofer, Moderatorin der Praxissession „KI im Business Development“ erklärte. Viele Anregungen, um dies zu erreichen, erhielten die Teilnehmenden in dieser und den beiden weiteren Sessions zu den Themen „KI in der Projektwirtschaft“ sowie „KI im internationalen Mittelstand“. Expertinnen und Experten aus der Praxis erläuterten viele Ansätze für den Einsatz der KI in verschiedenen Bereichen und Branchen.

Mit neuen Konzepten KI-Kompetenzen stärken

Ein weiteres Thema der Veranstaltung lautete, welche Auswirkungen der Einsatz von KI auf Bildung/Weiterbildung haben sollte und wird. Moderiert wurde die Session von Dr. Christoph Egle (GF bidt), für den gerade in diesem Bereich die persönliche Erfahrung eine wichtige Rolle spiele: bidt etabliere gerade einen Forschungsbereich, der sich mit dem Vertrauen zur GenAI befasse. KI biete auch eine große Chance, um Tools zielgerichtet für den Kompetenzerwerb einzusetzen. Dies bedeute aber auch, eine KI-Fachkompetenz aufzubauen, um z.B.  den Output von KI beurteilen zu können – Einfluss von Trainingsdaten, Bias, etc. - und eine reflektierte Nutzung von KI-Tools ermöglichen, ist Prof. Dr. Hannah Jörg (Hochschule Landshut) überzeugt. 

Fred Cuny erläuterte die veränderten Bildungsanforderungen beim Einsatz von KI-Tools beim Unternehmen Pega Systems. Durch einen einfachen Prompt werde bei der Umsetzung von Anwendungen KI generiert ein Code erzeugt, ganz ohne Programmierung. Dies bedeute eine neue Art, Applikationen zu entwickeln und ändert auch die Kompetenz-Anforderungen. Wichtige Grundvoraussetzung sei für Mitarbeitende und Kunden, wie man die entsprechenden Tools nutzt. Hierzu habe man mit „Sokrates“ eine neue Lernplattform entwickelt. Diese sei per GenAI mit eigenen Inhalten, Projektdaten etc. gefüttert worden. Das System stellt Fragen an Mitarbeiter, Partner oder auch Kunden, präsentiert dann passende Lerninhalte und bringe diese so schnell auf den Kenntnisstand, den sie für ihre Anwendungszwecke bräuchten.   

Fabian Heil (Munich Innovation Ecoystems GmbH) wies darauf hin, dass tausende KI-Tools zur Verfügung stünden, bei der Auswahl müsse man sich immer die Frage stellen, welches Problem man für wen zu welchem Zweck lösen will. Der Knackpunkt auch bei Start-ups sei iteratives Vorgehen, bei dem durch das Feedback von Nutzern das Produkt oder auch die Strategie immer wieder optimiert wird. Um die Erfahrungen aus vielen Projekten verfügbar machen zu können, sei man gerade dabei, eine KI Tool-Box zu entwickeln, die Innovationen voranbringen und es gerade Gründern erleichtern soll, ins Machen zu kommen. 

Das Landshut Leadership Forum habe gerade Mittelständlern enorm viele Impulse und Anregungen geboten, um ins Machen kommen, betonte abschließend Andreas Keck (Vorstandsvorsitzender German Mittelstand) und rief alle Mittelständler dazu auf, beim nächsten Forum mit dabei zu sein. Prof. Dr. Hubertus Tuczek dankte den Sponsoren, den vielen Expertinnen und Experten sowie dem Programmkomitee rund um Prof. Dagmar Schuller, Prof. Dr. Martina Mitterhofer, Prof. Dr. Eduard Kromer und Prof. Dr. Holger Timinger, die durch ihr Engagement das hochkarätige besetzte Speaker-Board sowie das anspruchsvolle Programm ermöglicht hätten. Er entließ die KI-interessierten Gäste mit einer Einladung zum 10. Landshut Leadership Forum am 20./21. November 2025 an die Hochschule Landshut.


Fotos: Hochschule Landshut
(Frei zur Verwendung bei Angabe der Quelle)

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Mit einer großen Welle verglich Deepa Gautam-Nigge (SAP SE) die genKI.
Mit Open AI wurde die Welt verändert, ist Veranstaltungsinitiator Prof. Dr. Hubertuc C. Tuczek (Hochschule Landshut) überzeugt.
Emotionserkennung anhand der Stimme war eines der im KI-Interatktionslab präsentierten Projekte.
Die Teilnehmer/-in des Panels zum Thema KI in Unternehmen (v.l.n.r.): Dr. Thomas Walter (CSO Merkle - dentsu), Prof. Dr. Heinrich Arnold (Creative Dock), Prof. Dagmar Schuller (Gründerin audEERING GmbH, Hochschule Landshut), Dr. Roland Geyer (lifespin GmbH) mit Moderator Dr. Rainer Sessner (Bayern Innovativ GmbH) und Prof. Dr. Hubertus C. Tuczek.
Bei den parallelen Praxissessions referierte u.a. Robert Philipp (Meyer-Oltmanns & Cie. GmbH)
Eine Lernplattform, die genKI einsetzt, stellte Fred Cuny (Pegasystems) vor.