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„Wir sind keine Fälle, sondern Menschen“

4. Regionaler Jugendhilfetag widmet sich den Rechten junger Menschen

Am 14. November 2024 nahmen mehr als 100 Personen am 4. Regionalen Jugendhilfetag an der Hochschule Landshut teil, der zugleich das 15-jährige Jubiläum des Bachelorstudiengangs „Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe“ war. Gekommen waren Fachkräfte aus Einrichtungen in der Region, Jugendamtsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lehrende, Studierende und Alumni, um sich dem Motto des Tages „Stärkung von Schutz, Beteiligung und Förderung junger Menschen“ zu widmen.

„Wir sind keine Fälle, sondern Menschen“

Eingeleitet wurde der Jugendhilfetag von Yasin Kaya, der selbst in seiner Jugend über sieben Jahre von Fachkräften in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betreut wurde. Er ist heute selbst Sozialpädagoge und als „Care Leaver“ in einem Verein organisiert. Er berichtete darüber, welche gesetzlichen Verbesserungen die Care Leaver in den letzten Jahren angeschoben haben. Sie hatten gefordert, dass junge Menschen in der Jugendhilfe, welche die Einrichtungen meist mit der Volljährigkeit verlassen müssen, weiterhin Unterstützung, „Coming-Back-Optionen“ und Hilfen zur Realisierung von Selbständigkeit erhalten sollten. Da Care Leaver zumeist keine unterstützenden Familien im Hintergrund haben, könnten sie auch nicht auf das Netzwerk Familie bauen. Die Hilfen für junge Volljährige hätten sich zwar durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) 2021 verbessert, sie müssten aber vielerorts erst noch umgesetzt werden, so Kaya. Sein eindrückliches Plädoyer an die Anwesenden, „wir sind keine Fälle, sondern Menschen“, war Mahnung und Wunsch zugleich.

Kinder- und Jugendhilfe als ein sehr dynamisches und leistungsstarkes Feld

Bei einem Podiumsgespräch mit Prof. Jörg M. Fegert vom Universitätsklinikum Ulm, mit Ludwig Weber vom Jugendsozialwerk Landshut, Viktoria Guglhör vom Kreisjugendamt Landshut, Dr. Liane Pluto vom Deutschen Jugendinstitut in München sowie Florian Kaiser vom Zentrum Familie und Soziales (ZBFS) wurde deutlich, dass die Kinder- und Jugendhilfe ein sehr dynamisches und leistungsstarkes Feld ist, welches sich schnell auf neue fachliche Herausforderungen einstellen könne. Dies sei in der schnell etablierten Jugendhilfeinfrastruktur unter Beweis gestellt worden, die in kurzer Zeit angesichts des Zustroms vieler unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Jahr 2015 entstanden sei. Andererseits seien in vielen Bereichen Fortentwicklungen nötig: so zum Beispiel bei der Entwicklung partizipativer Schutzkonzepte, bei der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen durch eine konsequentere Kooperation und Zusammenarbeit der Jugend-, Eingliederungs- und Behindertenhilfe sowie bei der Digitalisierung. Hervorgehoben wurde, dass die Krisen unserer Zeit bei den Jugendlichen angekommen sind, aber gerade in Krisenzeiten können die Rechte junger Menschen leicht aus dem Blick geraten.

Alumni stellten Beispiele Kinderrechte basierter Praxis vor

Gut kamen die sechs Diskussionstische im Rahmen des „Markes der guten Praxis“ an, die von Tischpatinnen und -paten aus dem Kollegium der Fakultät Soziale Arbeit begleitet wurden. Bei dem Markt nutzten ehemalige Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe die Chance, um Beispiele vorzustellen, wie sie eine Kinderrechte basierte Praxis in ihren Einrichtungen umsetzen. Franziska Brich von Startklar Soziale Arbeit Niederbayern stellte ein Schutzkonzept zur Sicherstellung der Rechte junger Menschen vor. Monika Kupski und Cleo Lou Vedder vom Katholischen Jugendsozialwerk München berichtete über Herausforderungen von Beteiligungsprozessen in den ambulanten Erziehungshilfen. Janine Brabender vom Stadtjugendamt Landshut stellte vor, wie die Informationsrechte im Hilfeplanverfahren gewahrt werden. Verena Nußbaumer vom Stadtjugendring Landshut berichtete von der Stadtteilbegehungen Marienplatz/ Freyung. Tanja Kollmannsberger und Laura Wisniewsky vom Kreisjugendring Landshut sprachen über Politische Bildung und U18 Wahlen. Jemima Otto und Ilona Sellmayer berichteten an Tisch sechs von dem geplanten Care Leaver-Projekt „Kompass Landshut“.

“Das Primat der Jugendhilfe gilt!“

Johanna Karpenstein vom Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Berlin war via Zoom zugeschaltet und referierte unter dem Titel “Das Primat der Jugendhilfe gilt!“ von derzeitigen bundesweiten Trends der Aufweichung jugendhilferechtlicher Standards bei der Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Angesichts der besorgniserregenden Beobachtungen des Verbandes dürfen Fachkräfte nicht aufhören, sich für deren Rechte einzusetzen, da sie Kinder und Jugendliche sind und als solche behandelt werden müssen. Jugendhilfe müsse immer den Vorrang haben und sie dürften vor allem nicht in andere Systeme verschoben werden, so das Resümee.

Bachelorstudiengang bildet Fachkräfte in und für die Region aus

Umrahmt wurde der Fachtag von zwei beeindruckenden, kurzen Theaterstücken von Studierenden des 5. Semesters im Bacherlorstudiengang Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe. Prof. Bruno Franceschini hatte die Studierenden in seinem Seminar dabei unterstützt, diese ausdrucksstarken Darbietungen auf die Bühne zu bringen.

Bei einem Glas Sekt wurde am Ende angestoßen auf den 15 Jahre alten Studiengang, der in und für die Region Fachkräfte für die systemrelevante Kinder- und Jugendhilfe vorbereitet. Über die Regionalen Jugendhilfetage in Landshut ist und bleibt der Studiengang mit der Praxis im Austausch. „Wir freuen uns schon auf den nächsten Jugendhilfetag!“, so Prof. Dr. Mechthild Wolff, Studiengangsleiterin und Initiatorin des Regionalen Jugendhilfetages.


Fotos: Hochschule Landshut
(Frei zur Verwendung bei Angabe der Quelle)